Nachdenken über Wissenschaft – nachhaltig!

Die Fragen "Was ist eigentlich Wissenschaft?" bzw. "Wie funktioniert Wissenschaft?" oder "Wie kommt Wissenschaft zu Wissen?" sollten Teil jeder Lehrveranstaltung zum Thema „"Wissenschaftliches Arbeiten" sein. Genauso sollte eigentlich jedes Studium Gelegenheit bieten, über Wissenschaft im Rahmen von Studienanteilen zur Wissenschaftsforschung, -geschichte, – philosophie, -soziologie und -theorie zu reflektieren.

Gerade aktuell erscheint ein Nachdenken über alternative Veränderungen von Wissenschaft immer wichtiger. Aus wissenschaftlich-technischer Sicht betrifft dies Entwicklungen in Richtung einer „Open Science“ (vgl. Bartling, S. & Friesike, S. (Hrsg.). (2014). Opening Science. The Evolving Guide on How the Internet is Changing Research, Collaboration and Scholarly Publishing. Cham: Springer International Publishing.), aus (umwelt-)politischer Sicht die Frage, wie eine Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft mit Hilfe von Wissenschaft und Technik gelingen kann (Vgl. die Notwendigkeit einer „transformative literacy“, dargestellt von Schneidewind, U. (2013). (Transformative Literacy. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse verstehen und gestalten. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society, 22 (2), 82–86).

Für die breite Öffentlichkeit bestimmte Werke zum Phänomen Wissenschaft unterstreichen die aktuelle Bedeutung von Reflexion über Wissenschaft, sind doch gerade in jüngster Zeit eine Reihe von schmalen, leicht zu lesenden Büchern dazu publiziert worden:

  • Zu Kennzeichen und Theorie von Wissenschaft lesenswert:
    • Mühlhölzer, F. (2011). Wissenschaft (Reclam-Taschenbuch). Stuttgart: Reclam.
    • Tetens, H. (2013). Wissenschaftstheorie : eine Einführung. München: Beck.
       
  • Zu Sichtbarkeit und Nutzen von Wissenschaft im Rahmen der gegenwärtigen Gesellschaft ein guter Einstieg:
    • Hoffmann, C. (2013). Die Arbeit der Wissenschaften. Zürich: Diaphanes.
    • Schummer, J. (2014). Wozu Wissenschaft? Neun Antworten auf eine alte Frage. Berlin: Kulturverlag Kadmos Berlin (Im Erscheinen, vgl. auch die Einleitung auf der Website des Autors).

Der Versuch, Wissenschaft zu verstehen, kann auch durch einen historischen Blick auf die Entstehung der verschiedenen Formen wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens unterstützt werden. Hier ein paar interessante Beispiele:

  • Rheinberger, H.-J. (2007). Historische Epistemologie zur Einführung. Hamburg: Junius-Verl. Vgl. zur Frage Was ist und wozu dient die historische Epistemologie? ein Konferenzbericht von 2008. Der Autor des Buches hat auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg im Oktober 2013 einen Vortrag mit dem Titel "Wissenschaftsgeschichte und das Wissen der Medien" (YouTube-Video) gehalten.
  • Daston, L. & Galison, Peter (2007). Objektivität. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Hier werden Abbildungen bzw. Repräsentationen als Ausgangspunkt für die historische Entwicklung des Objektivitätsgedankens in den Wissenschaften genommen. Dabei kommen beim Thema besonders auch die Subjektivität der Wissenschaft Treibenden und deren notwendige wissenschaftliche Tugenden in den Blick.
  • Ziche, P. (2008). Wissenschaftslandschaften um 1900. Philosophie, die Wissenschaften und der nichtreduktive Szientismus. Zürich: Chronos. Zur Geschichte klassifikatorischer Überlegungen zur Grundlegung von Wissenschaft als Teil einer Wissenschaftlichkeitsgeschichte. Vgl. auch folgenden Artikel zum Thema Wissenschaft, an dem der Autor dieses Buches auch beteiligt war: Ziche, Paul; Driel, Joppe van: Wissenschaft, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2011-11-29. URL: http://www.ieg-ego.eu/zichep-drielj-2011-de URN: urn:nbn:de:0159-2011112141

"Threshold concepts" statt Standards zur Informationskompetenz

Die ACRL ist dabei ihre "Information Literacy Competency Standards for Higher Education" zu überarbeiten bzw. zu ersetzen. In einer im Februar publizierten Verlautbarung wird ein erster "initial draft" eines "Framework for Information Literacy for Higher Education", also eines Rahmens für Informationskompetenz innerhalb der Hochschulbildung, zur Diskussion gestellt [Inzwischen ist beim angegbenen Link auch der 2. Draft zu finden. T.H. 11.4.2014]. Hintergrund ist der Versuch, aktuelle Entwicklungen moderner Informationsumgebungen aber auch moderne Konzepte aus dem Bereich ganzheitlicherer Betrachtungen von "information literacy" zu berücksichtigen, z.B. Begriffe wie Metaliteracy und Forschungsergebnisse der Wahrnehmung von "information literacy" in unterschiedlichsten Kontexten von Autorinnen wie Kuhlthau, Bruce, Lloyd und anderen.

Wesentlicher Teil des neuen Rahmens sind sogenannte "Threshold concepts", hier so etwas wie "Schwellen-Begriffe" oder eine Menge von "Kern-Begriffen", die notwendig sind, um sich – hier als Anwendung auf den Bereich Informationskompwetenz – in modernen Informationsumwelten zurecht zu finden. Das Nachdenken über "Threshold concepts" allgemein begann im ersten Drittel des letzten Jahrzehntes durch Publikationen der Erziehungswissenschaftler Jan H.F. Meyer und Ray Land. Hintergrund hier war auch das Nachdenken über das Prinzip "less is more" beim Erstellen von Curricula.

"Threshold concepts" haben nach Meyer und Land fünf Eigenschaften: Sie sind "transformative, integrative, irreversible, bounded; and troublesome", wobei die Eigenschaft "boundedness" mutigerweise im geplanten IL Framework gleich wieder fallengelassen wird (S. 5). "Threshold concepts" sind entscheidende Begriffe und Konzepte, von Meyer und Land auch "jewels in the curriculum" genannt, die das fachliche Verständnis nachhaltig verändern. Sie stehen damit selbst an einer Schwelle zwischen fachlichen Inhalten und pädagogisch-didaktischen Aktivitäten. Sie verweisen auf – und thematisieren damit auch – Schwierigkeiten, Unsicherheiten und Ängste, die das Lernen begleiten.

(Nach: Ray Land, Glynis Cousin, Jan H F Meyer & Peter Davies: Threshold concepts and troublesome knowledge (3)*: implications for course design and evaluation. In: Rust, C. (Ed.) (2005): Improving Student Learning Diversity and Inclusivity. Oxford: Oxford Centre for Staff and Learning Development.)

Bisher im Framework formulierte "Threshold concepts" zur "information literacy" umfassen

  • Scholarship is a Conversation
  • Research as Inquiry
  • Format as Process

Dazu kommen weitere in Aufsätzen schon formulierte Beispiele:

  • Information as a commodity
  • Authority is constructed and contextual
  • Primary sources and disciplinarity
  • Metadata = Findability
  • Good searches use database structure
  • Let’s go … to the library

Als erster Eindruck lohnt sich für mich ein Nachdenken über "Threshold concepts", zielen sie doch auf das, was ich schon oft den Kern von Informationskompetenz genannt habe. Sogar eine neue Definition von "information literacy" wird vorgeschlagen (Ob dies notwendig ist, lasse ich hier offen!):

"Information literacy combines a repertoire of abilities, practices, and dispositions focused on expanding one’s understanding of the information ecosystem, with the proficiencies of finding, using and analyzing information, scholarship, and data to answer questions, develop new ones, and create new knowledge, through ethical participation in communities of learning and scholarship." (S. 4)

Zu jedem "Threshold concept" innerhalb des Frameworks (vielleicht auf Deutsch auch als Referenzrahmen zu bezeichnen, wobei dies im Informationskompetenz-Bereich von Andreas Klingenberg als Begriff genutzt wird) gehören cognitive Lernziele ("Knowledge Practicies (Abilities)"), Lernziele mit Bezug auf "metaliteracy" und zu verändernde Einstellungen ("Dispositions") sowie Vorschläge zur Überprüfung der Selbsteinschätzung durch Lernende und zur externen Bewertung des Lernerfolgs.

Sicher wirken die Gedanken der "Threshold concepts" eher abstrakt und es bleibt abzuwarten, was dies für den Bereich Informationskompetenz praktisch bedeutet. Aber Letzteres konnte man auch bei den Standards fragen. Gemeint ist von den Entwicklern des Schwellenbegriffs "Threshold concept" sicher auch kein Handlungsrahmen, um die Welt nun besser mit Informationskompetenz-Aktivitäten beglücken zu können. 😎 Aber die Nutzung von "Threshold concepts" erfordert ein "Listening for understanding", das mich an die gerade populär werdende Nutzung ethnografischer Methoden im Bibliothekswesen erinnert (Vgl. das neueste Heft der Zeitschrift 027.7 zum Thema). Wichtig wäre die Erkundung "(ideally with students) what appear to be the threshold concepts in need of mastery" (Cousin, 2006, S. 5).

Zu fragen ist aber auch, inwieweit die oben aufgeführten "Threshold concepts" wichtig für das lebenslange Lernen sind, das Informationskompetenz ja unterstützen soll, oder ob es nicht teilweise eher Begriffe sind, die aus Sicht der Profession wichtig sind. So wird das letzte der oben aufgeführten "Threshold concepts" zur Informationskompetenz im Aufsatz der Autorinnen auch gleich wieder verworfen (vgl. Townsend, L., Brunetti, K., & Hofer, A. R. (2011). Threshold concepts and information literacy. portal: Libraries and the Academy, 11(3), 853-869).

Nimmt man das neue Framework zur "information literacy" nicht nur als nützliches Werkzeug oder Instrument sondern als ein Angebot oder eine Möglichkeit, um über Erfahrungen in modernen Informationsumgebungen zusammen mit Lernenden zu reflektieren und dabei auch individuelle und fachspezifische Wahrnehmungen kognitiver und affektiver Art zu diskutieren bzw. diese zuzulassen und auszutauschen, dann ginge dies für mich in die richtige Richtung!

Hier ein paar weitere Texte zum Einlesen:

Noch eine Beobachtung aus eigener Erfahrung: Teilnehmende des an der TUHH im Wintersemester durchgeführten Kurses zum "Wissenschaftlichen Arbeiten" haben am Schluss etwa teilweise so formuliert: "Wir haben gemerkt, dass wir mit unseren Problemen und Unsicherheiten bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht allein sind." Und dies war für manche "fast" das wichtigste Ergebnis der Teilnahme am Seminar. Ein paar Sätze aus dem kurzen Beitrag von Cousin haben mich daran erinnert:

"Teachers must demonstrate that they can tolerate learner confusion and can ‘hold’ their students through liminal states. Moreover, in our research some students expressed the fear they were the only ones among their peers who did not comprehend difficult concepts. While it became a source of huge relief to discover eventually that other students were similarly confused, this awareness needed to be shared early on in the course. Unless teachers devise activities that uncover this, many students will suffer in silence." (S. 5)

Ein historisch-genetischer Blick auf Suchmaschinen

"Auf den Spuren der Suche" nannte sich ein Projekt von Studierenden im Rahmen der studiengangsübergreifenden Lehre am Department Information der HAW Hamburg, das am Freitag, den 7. Februar 2014, mit seinen Ergebnissen vorgestellt wurde. Das Projekt ist ein Beispiel dafür, dass man aus Geschichte lernen kann, dient Geschichte doch bei diesem Projekt besonders dazu, ein besseres Verständnis der Funktionsweise von Suchmaschinen zu entwickeln.

In seinem Einführungsbeitrag zeigte der Suchmaschinen-Spezialist und Initiator des Projektes Dirk Lewandowski also, dass durch eine Betrachtung der historischen Entwicklung von Suchmaschinen ein besseres Verständnis für deren Nutzung und für die Bedeutung des Themas Suche in unserer modernen Welt insgesamt möglich ist. So fasst etwa eine Betrachtung der Entwicklung des Suchmaschinenranking die noch heute wichtigen Konzepte zum Ranking zusammen: Beginnend mit der Auswertung von statistischen Textanalysen über die Nutzung der Popularität von Links und Klicks wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 der Aktualitätsbezug besonders wichtig und in die Ergebnislisten eingebaut, während seit einigen Jahren auch durch die Nutzung mobiler Geräte die Auswertung des Ortbezug (Lokalität) eine immer bedeutendere Rolle spielt. Auch die vermeintliche Vielfalt heutiger Suchmaschinen kann mit einer historischen Betrachtung der "Search engine relationship Charts von Bruce Clay" dekonstruiert werden.

Idee für das Projekt lieferte nach Lewandowski ein Beitrag von Thomas Dominikowski mit dem Titel "Zur Geschichte der Websuchmaschinen in Deutschland" im von Lewandowski herausgegebenen "Handbuch Internet-Suchmaschinen ; 3 ; Suchmaschinen zwischen Technik und Gesellschaft" (Heidelberg : AKA, Akad. Verl.-Ges., 2013, S. 3-34).

Die gelungene Verbindung von Informationsgeschichte und der Förderung von Informationskompetenz, meine beiden Lieblings-Themen, wurde auch im Versuch eines Nachbaus einer frühen "Suchmaschine" unterstrichen. Die von Michael Buckland in den letzten Jahren und Jahrzehnten aus der Versenkung in der historischen Überlieferung hervorgeholte und damit erneut bewusst gemachte "Statistischen Maschine" von Emanuel Goldberg kann als eine frühe, auch elektrischen Strom nutzende Suchmaschine angesehen werden. Sie ermöglichte mit der damals aktuell vorhandenen Technik der Mikrofotografie die Recherche nach codierten Dokumenten mit einer ihrerseits codierten "Suchanfrage-Lochkarte". Zur Veranschaulichung haben drei Studierende im Rahmen dieses Projektes diese Maschine als Modell nachgebaut. Fotos zur Präsentation von Emanuel Goldbergs "Statistischer Maschine" sowie ein Teilbereich innerhalb der Darstellung auf der Projekt-Website erläutern die Funktionsweise.

Weitere Teilthemen des Projektes waren u.a. die personalisierte Suche, Suchmaschinen und Werbung, Suchmaschinen-Optimierung (SEO) und Kinder-Suchmaschinen.

Zum Schluss noch ein paar Hinweise auf weitere Beiträge zur Geschichte der Suchmaschinen in diesem Blog und ein Tipp zu einer ganz anderen spannenden Diskussion zur Informationsgeschichte zwischen bekannten Historikern wie Paul N. Edwards, Lisa Gitelman, Adrian Johns u.a. mit dem Titel "Historical Perspectives on the Circulation of Information" (publiziert in: The American Historical Review 116(2011)5, 1393-1435).

Informationskompetenz kritisch

Das Wort "kritisch" stammt ja vom Griechischen ab (krínein = scheiden, trennen, unterscheiden, entscheiden, urteilen) und gerade das "Unterscheiden" bzw. "auf Unterschiede achten" ist beim Thema Informationskompetenz eine wichtige Aufgabe. Unterschiede im Kontext und in der Wahrnehmung unterschiedlichster agierender Menschen und Institutionen mit unterschiedlichsten Themen gehören zu diesem Thema. Gerade im Themenfeld von Information und Kommunikation spielen solche Unterschiede wie die zwischen Objekt und Subjekt, zwischen Stoff und Form, zwischen Stabilität und Veränderung, zwischen Repräsentation und Transformation bzw. Interpretation sowie zwischen Technik und Kultur eine große Rolle.

Die kanadischen Autoren Coleen Addison und Eric Meyers (Perspectives on information literacy: a framework for conceptual understanding. Information research 18 (2013) 3) unterscheiden verschiedene Sichten auf Informationskompetenz unterschieden:

  1. "Acquistion of ‚information age‘ skills" (ACRL, Big6 Skills, …) – dies das aus meiner Sicht in Bibliotheken dominierende Verständnis
  2. "Cultivation of habits of mind" (Kuhlthau, Dervin, …)
  3. "Engagement in information-rich social practices" (Multiliteracies, Lloyd, …)

Natürlich gibt es zwischen diesen Perspektiven Übergänge, aber von oben nach unten werden diese Sichten immer ganzheitlicher gedacht. Die Autoren haben in ihrem Artikel auch deren Vorteile, Herausforderungen und – besonders interessant – auch deren Implikation auf die Rolle von „information professionals“ reflektiert.

Karsten Schuldt hat in seinem Beitrag "Anmerkungen zur Information Literacy" im Libreas-Blog auf mehrere Bücher aus dem amerikanischen Verlag Library Juice Press aufmerksam gemacht, die Information Literacy kritisch reflektieren, etwas, was ja auch dieser Blog versucht. Die kritische Sicht der von Karsten Schuldt diskutierten Aufsätze implizit die Berücksichtigung kritischer Pädagogik (z.B. basierend auf Paolo Freire und Henry Giroux). Er übernimmt aber auch die interessante Frage "Ist die Information Literacy neoliberal?", die durchaus zur ersten oben genannten Perspektive auf Informationskompetenz passt.

Hier folgen noch ein paar weitere interessante Beiträge zur "critical information literacy", die mir in letzter Zeit aufgefallen sind:

Informationskompetenz als Teil wissenschaftlichen Arbeitens

Im Wintersemester 2103/2014 wurde von mir an der TUHH in Zusammenarbeit mit KollegInnen aus der TU-Bibliothek, einer Kollegin vom FinishING-Projekt der TU-Studienberatung, einer Kollegin aus der Arbeitsgruppe Arbeit-Gender-Technik (M-1) der TU sowie einer externen Dozentin ein Seminar zum "Wissenschaftlichen Arbeiten" durchgeführt. Ein Weblog zum Seminar dient als Schaufenster und Einführung in die Seminar-Themen auch für diejenigen, die leider bei der Auslosung der 30 Plätze aus mehr als 150 Interessenten nicht erfolgreich waren. Im Kommentierten Vorlesungsverzeichnis heisst es zum Seminar:

„[Es] bietet eine Hinführung zu den vielfältigen Aspekten wissenschaftlichen Arbeitens: Themenfindung, Fachinformation, Wissensorganisation, Schreiben, Präsentieren, Publizieren. Anregungen zum Nachdenken über eigene Lern-, Informations- und Schreibprozesse – ergänzt durch praktische Empfehlungen und Tipps – erleichtern den Einstieg in die Erstellung von Bachelor- und Masterarbeiten, Arbeiten, die durchaus auch Erfüllung bringen und Spass machen können.“

Durch das Seminar hat sich auch mal wieder mein Blickwinkel auf Informationskompetenz leicht verändert. Pragmatisch gesehen möchten Studierende aus meiner Sicht im Bereich Informationskompetenz primär Antworten auf drei Fragen haben, wenn sie an ihrer Examensarbeit sitzen:

  1. Wie komme ich an Volltexte?
  2. Wie kann ich sicherer sein, nichts Wesentliches übersehen zu haben?
    • Systematische Informationssuche
    • Nutzung von Fach-Datenbanken
  3. Wie bewältige ich die Informationsflut?

Ein weiteres implizites Ziel des Seminars war es, auch mal über das Phänomen "Wissenschaft" als solches nachzudenken. Im Rahmen des normalen Curriculums besonders der Natur- und Ingenieurwissenschaften findet ein solches Reflektieren in der Regel viel zu selten statt. Hier wäre ein Ausbau von Komponenten des "Studium generale" vielerorts sicher wünschenswert. Im Seminar sollten also Rezepte und Reflexion möglichst eine Einheit bilden. Nichtzuletzt sollen, der Schluss des oben zitierten Abstracts zum Seminar deutet dies an, auch negative und positive Gefühle beim wissenschaftlichen Arbeiten nicht verschwiegen werden, wie es auch ein Life-Cycle zur wissenschaftlichen Kommunikation als eine Art von „Advanced Organizer“ zum Seminar verdeutlichen soll.

Liaison Librarians als Teil des Third Space

Ein Report der amerikanischen Association for Research Libraries (ARL) mit dem Titel "New Roles for New Times: Transforming Liaison Roles in Research Libraries" ist im August 2013 erschienen. Eine deutsche Übersetzung des schönen Begriffs „Liaison Librarian“ ist nicht einfach, vielleicht bibliothekarischeR FachspezialistIn. Beschrieben werden in dem Report jedenfalls gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen und Aufgaben, die im deutschen Bibliothekswesen bisher von Fachreferentinnen und Fachreferenten an Bibliotheken erwartet werden, aber sicher nicht auf diese zu beschränken sind.

So gefällt mir die Verschiebung zum Begriff des "functional specialist" sehr, die im Abschnitt "Trend 2: A hybrid model of liaison and functional specialist is emerging" beschrieben wird. Denn damit werden im Bereich der Hochschulbibliotheken in den letzten Jahren verstärkt zu beobachtende Bereiche von Services im Bereich Publizieren (Beispiel Webseite der TUHH-Bibliothek), aber auch von Forschungsdaten und bei der Entwicklung der Wissenschaftskommunikation insgesamt berücksichtigt. Beispiele von Bibliotheken im letzten Bereich stammen u.a. von der TIB in Hannover (Open Science Lab) und der ZBW in Hamburg bzw. Kiel (ZBW Labs), die beide auch beim Forschungsverbund Science 2.0 mit dabei sind.

Diese "functional specialists" bieten Services

"as ’superliaisons‘ to other librarians and to the entire campus. Current specialist areas of expertise include copyright, geographic information systems (GIS), mediaproduction and integration, distributed education or e-learning, data management, emerging technologies,user experience, instructional design, and bioinformatics. This dedication of resources to specific areas of proficiency is an indicator of arenas in which research libraries are assuming leadership, or at least well-defined partnership roles on campus. Libraries are identifying gaps in the services required to support teaching, learning, and research, and are responding in new and critical ways." (S. 7)

Es tut sich also etwas im Bereich der Personalentwicklung an Hochschulen. In seinem Beitrag mit dem Titel „Der Third Space als Handlungsfeld in Hochschulen: Konzept und Perspektive“ (In: Barnat, M., Hofhues, S., Kenneweg, A. C., Merkt, M., Salden, P. & Urban, D. (Hrsg.): Junge Hochschul- und Mediendidaktik. Forschung und Praxis im Dialog. Hamburg 2013, S. 27-36) beschreibt Peter Salden, der im Zentrum für Lehre und Lernen an der TU Hamburg-Harburg tätig ist, einen Bereich, in dem "die Grenzen zwischen Verwaltung und Wissenschaft" (S. 27) verschwimmen.

Dieser „dritte“ Bereich zwischen dem Administrativen und dem Akademischen "entstehe bei Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen" und agiere als „Übersetzer“ (S.30), wie es in dem theoretisch-konzeptionellen Teil über „das Dritte“ im Aufsatz heisst. Peter Salden diskutiert in seinem Beitrag aber auch deutlich Herausforderungen des Third Space an Hochschulen. Hier tauchen Sätze auf, die auch für das Fachreferat in Bibliotheken gelten können, wie

"Wenn der Third Space gegenüber der klassischen Verwaltung tatsächlich etwas Anderes sein soll, dann muss auch die konkrete Arbeitsweise eine andere sein. Dazu gehören kreatives und strategisches Arbeiten, nach verbreiteter Auffassung aber auch Wissenschaftlichkeit […]. Third Space-Beschäftigte müssen demnach die Bereitschaft mitbringen, ihre eigene Tätigkeit wissenschaftlich zu reflektieren und diese Ergebnisse der wissenschaftlichen Diskussion zur Verfügung zu stellen. […]
Derartige Tätigkeit – die ihren Ausdruck z.B. in Vorträgen und Aufsatzpublikationen finden kann – sollte aber nicht als Privatvergnügen, sondern als Teil der Personalentwicklung verstanden werden. Dies kostet die Hochschulen über die Einräumung von Zeitfenstern hinaus wenig, bedeutet im Gegenzug aber die Erhöhung der Qualität der Arbeitsergebnisse (und nebenbei auch die Sichtbarkeit der eigenen Institution sowie die akademische Glaubwürdigkeit im Inneren)." (S. 34-35)

Aus meiner Sicht sind Bibliotheken bzw. manche in Bibliotheken Arbeitende unbedingt ein Teil dieses "Third Space" bzw. sollten dies sein. Gerade aktuelle Entwicklungen – wie am Anfang dieses Beitrags beschrieben – demonstrieren dies deutlich. Aber auch Entwicklungen wie Dienstleistungs-Kooperationen z.B. an der Leibniz-Universität Hannover im Bereich Lernraum aber auch im Kleinen bei der Durchführung eines Seminars zum „Wissenschaftlichen Arbeiten" (Begleitender Blog) an der TUHH belegen dies. Letzteres wird federführend von der TU-Bibliothek in Kooperation u.a. mit Kolleginnen vom FinishING-Projekt (vormals Endspurt) der Studienberatung der TUHH und von der TU-Arbeitsgruppe Arbeit-Gender-Technik (M-1) durchgeführt. Im Optimum sind Bibliotheken zudem Teil des im Aufsatz erwähnten "Third place", "nach dem first place (= das Zuhause eines Menschen) und dem second place (= der Arbeitsplatz eines Menschen) [als …] öffentlichen Orte informellen Beisammenseins (Cafés, Kneipen…) […]" (S. 31).

Nachdenken über Open Access

"Open Up! The Politics and Pragmatics of Open Access" war der Titel eines höchst anregenden Workshops am 4. Oktober auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft vom 3. bis 5. Oktober 2013 in Lüneburg.

Nachdem kurz zuvor in Hamburg die Open-Access-Tage stattfanden (zugehörige Tweets, siehe auch die Zusammenfassung von Christian Heise), wurden in Lüneburg grundsätzliche Fragen des Open Access diskutiert, die im Programm des Hamburger Treffens wohl nur am Rande eine Rolle spielten (Im schönen von Ulrich Herb herausgegebenen Sammelband "Open Initiatives: Offenheit in der digitalen Welt und Wissenschaft" sind übrigens teilweise ebenfalls solche grundsätzlichen Fragestellungen angesprochen.):

  • Was bedeutet Offenheit eigentlich genau? Beim Workshop stellten Marcus Burkhardt und Christian Heise die Open Definition der Open Knowledge Foundation vor. Dass das Konzept der Offenheit auch kritisch zu sehen ist, wurde u.a. durch einen Hinweis auf einen Aufsatz von Nathaniel Tkacz mit dem Titel "From open source to open government: A critique of open politics" (Ephemera 12(2012)4, 386-405) betont. Ein weiterer Text zur Beantwortung der Frage stammt von Michael A. Peters: The Idea of Openness.
  • Angesichts der Entwicklung, dass heutzutage fast jeder Verlag ein Open-Access-Angebot vermarktet, dass es zweitens immer mehr Verlage gibt, deren Geschäftsmodell grenzwertig erscheint (vgl. Beall’s list) bzw. dass drittens die Qualität des Peer Reviews gerade von Open-Access-Journals hinterfragbar ist (vgl. den Hinweis und Kommentar zum aktuellen Special der Zeitschrift Science zur Wissenschaftskommunikation von Fabiana Kubke), wird deutlich, dass etwas gut Gedachtes bzw. Gemeintes auch seine Schattenseiten haben kann.
    Beim Begriff Open Access schwingen immer die Themen Peer Review bzw. Bewertung von Wissenschaft sowie auch geistiges Eigentum bzw. Urheberrecht mit. Hier ist besonders zu betonen, dass das Peer Review auch bei klassischer Verlagspublikation schon lange ein Diskussionsgegenstand ist. Auch bei der Sokal-Debatte Mitte der neunziger Jahres des letzten Jahrhunderts war dies implizit mit thematisiert.
    Ein philosophisches und systematischeres Nachdenken über Offenheit erscheint notwendig, wofür dieser Workshop für mich einen schönen Ausgangspunkt darstellte. (Ob es also die Definition von Offenheit gibt, erscheint mir damit eher fraglich.)
  • In ihrem Workshop-Beitrag mahnte die Britin Janneke Adema eine kritischere Sicht auf Open Access an, die aber nicht gleich negativ sein muss. Sie zeigte am britischen Finch-Report "Accessibility, sustainability, excellence: how to expand access to research publications", dass Open Access auch als neoliberaler Versuch gesehen werden kann, die Effizienz der wissenschaftlichen Kommunikation zu steigern, wie solche Sätze zeigen:

    "Improving the flows of the information and knowledge that researchers produce will promote

    • enhanced transparency, openness and accountability, and public engagement with research
    • closer linkages between research and innovation, with benefits for public policy and services, and for economic growth;
    • improved efficiency in the research process itself, through increases in the amount of information that is readily accessible, reductions in the time spent in finding it, and greater use of the latest tools and services to organise, manipulate and analyse it; and
    • increased returns on the investments made in research, especially the investments from public funds" (S. 5)

    Nach Janneke Ademas Meinungs impliziert "radical open access" auch ein Infragestellen jetziger Institutionen und Praktiken der wissenschaftlichen Kommunikation, des Wesens des Buches sowie des Wesens akademischer Autorenschaft und der Generierung wissenschaftlich relevanten Wissens heute. Die heutigen technischen Möglichkeiten erlauben vielfältiges Experimentieren mit Alternativen. Dabei verwies sie auch auf zwei interessante Projekte "remixthebook" und "Living Books About Life".

  • Der Inder Nishant Shah erinnerte in seinem Beitrag an die heutige Herausforderung "Big Data", in der Offenheit hinsichtlich von Datenschutz und Privatsphäre durchaus kritisch zu sehen ist. Vor kurzem schrieb er in seinem Blog unter dem Titel "Big Data, People’s Lives, and the Importance of Openness" einen Text, der so endet:

    We need to remind ourselves that engagement with data is not a sterile engagement, rendered beautiful through visualizations and infographics that can make reality intelligible. It is perhaps time to realize that Data has replaced People as the central concern of being human, social and political. Time to start re-introducing People back into debates around Data, and acknowledging that Data Informatics is People Informatics and data wars have a direct effect on the ways in which people live. And Die.

  • Mercedes Bunz, die Leiterin des diesen Workshop organisierenden, ambitionierten Projektes Hybrid Publishing Lab der Leuphana Universität, unterschied in der Diskussion nochmals zusammenfassend die unterschiedlichen angesprochenen Kontexte von Offenheit: die politische Verwaltungsebene (Open Data), die forschungs- bzw- wissenschaftsbezogene (Open Access) und die ebenfalls politische, eher veränderungsbezogene Ebene von Offenheit. Darüberhinaus werden durch Open Access größere und erweiterte Öffentlichkeiten erreicht, sowohl vom Umfang her als auch von vermittlungsbezogener, eher populärer Ebene aus gesehen.

Neuere Aufsätze zur Informationskompetenz und darüber hinaus

Was es an neuen Aufsätzen zur Informationskompetenz gibt, ist kaum noch zu verfolgen. Unten sind ein paar Beiträge der letzten Zeit zu finden, die mir besonders auffielen. Und dann steht Ende Oktober auch noch die ECIL 2013, die erste European Conference on Information Literacy, mit spannenden Beiträgen ins Haus. Als Mitglied des Programm-Komitees war ich hier auch am Review-Prozess beteiligt. Leider werde ich aber nicht an der Konferenz teilnehmen können.

Von der Archäologie von "Information literacy" zur "Radical information literacy"

In letzter Zeit wurde ich immer mehr auf die Arbeiten des britischen Erziehungswissenschaftlers Drew Whitworth aufmerksam, der schon 2009 das Buch "Information obesity" (obesity = Fettsucht) publiziert hat, dass in Ausschnitten auch online verfügbar ist.

Aktuell wurde von Whitworth ein frühes Dokument, in dem der Begriff "information literacy" auftaucht, online gestellt und mit einer kommentierenden Einführung versehen: Lee G Burchinal Rede auf der "Texas A & M Library Bicentennial conference" 1976 mit dem Titel "The Communications Revolution: America’s Third Century Challenge".

Interessanterweise sind Whitworths historische Aktivitäten eine Grundlage für ein geplantes Buch mit dem Titel "Radical information literacy". In den Präsentationen von Whitworth auf Prezi findet sich eine sehr spannende Darstellung des geplanten Buches. Whitworths theoretischer Hintergrund ist u.a. der russische Literaturwissenschaftler und Philosoph Michail Bachtin. Auch die Präsentation zu "Information counselling : helping communities visualise and optimise their informational environments" geht über klassische Sichten auf Informationskompetenz hinaus. Hier heisst es zur "Radical information literacy":

"’Radical IL‘ is a wider and more democratic distribution of authority over information; requiring moves in both learning and practice."

Eine weitere sehr interessante Darstellung von Whitworth über wissenschaftliches Arbeiten und Forschung mit dem Titel "Research: an end, a means or a culture?" umfasst ein "triadic model of informational relationships".

Whitworths Arbeiten unterstützen ein notwendiges kritisches Nachdenken über information literacy und darüber hinaus:

" … we need a conception of IL that focuses not only on LEARNING, but on TRANSFORMATION"

(‚Slide‘ 32 von Radical information literacy)

LSD für das wissenschaftliche Arbeiten

Auf Markus Krajewski’s Buch "Lesen Schreiben Denken : zur wissenschaftlichen Abschlussarbeit in 7 Schritten" (Wien: Böhlau / UTB, 2013) war ich sehr gespannt. Obwohl ich ja eigentlich nicht mehr so viel "Stuff" ansammeln will (wobei im gerade verlinkten Text Bücher ausdrücklich ausgenommen sind! 😎 ), wird LSD – nicht LSD – doch Teil meiner Bücherregale werden.

Das Buch bietet mit seinen 7 Schritten – Themenfindung, Recherche, Lektüre, Verzetteln, Verfassen, Zitieren und Formatieren – eine leicht lesbare und kompakte Einführung in modernes Arbeiten in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Aber auch Studierende anderer Fachrichtungen können das Buch mit Gewinn lesen. Bei jedem Schritt werden wichtige Anregungen zum Nachdenken gegeben, aber auch viele kleine Tricks und Kniffe erwähnt. Es gibt sogar ein "Lob von LaTeX" (S.99).

Schon der Titel betont, worauf es beim wissenschaftlichen Arbeiten wirklich ankommt: "Wissenschaftlich schreiben heißt vor allem denken." (Zitat ist Titel eines Aufsatzes mit dem Untertitel "Zwölf Techniken für mehr Effizienz" von Philipp Mayer, in: Das Hochschulwesen, 58 (2010) 1, S. 28-32). Mit dem Band wird für mich auch das Begriffspaar Rezept / Reflexion angesprochen. Damit meine ich das auch in anderen Bereichen wie z.B. der Erziehung oder dem Lehren oft vorkommende Fragen nach (Patent-) Rezepten beim wissenschaftlichen Arbeiten oder eben beim pädagogischen Handeln in der Lehre. Rezepte können als Werkzeug in bestimmten Kontexten hilfreich sein, aber das Wesentliche beim wissenschaftlichen Arbeiten, Lehren usw. ist es aus meiner Sicht, selbst Erfahrungen zu sammeln, sich selbst dabei über die Schulter zu schauen und dann darüber nachzudenken, was man für sich in der konkreten Herausforderung in Zukunft besser machen kann. Das Wesentliche also ist Reflexion über das eigene Handeln.

Natürlich bin ich für eine Beurteilung des Buches voreingenommen, da ich Markus Krajewski schon lange auch persönlich kenne und seine Texte seit seiner Zettelwirtschaft (Link zu einer Rezension, S. 317-318) immer wieder mit Vergnügen lese. Gerade illustrierende Beispiele aus der eigenen Forschung von Krajewski machen dieses Buch für jemanden wie mich, dessen Interessen sehr ähnlich gelagert sind, besonders lebendig.

Was im Buch von Markus Krajewski sicher nicht explizit genug thematisiert wird, ist ein für mich zum Thema „Wissenschaftliches Arbeiten“ gehörendes Nachdenken über Wissenschaft als Institution und damit verbunden über Kennzeichen von wissenschaftlichen Texten oder von Wissenschaftlichkeit. Ergänzend lohnt es sich, hier z.B. in das Bändchen "Wissenschaftssprache : eine Gebrauchsanweisung" von Valentin Groebner (Konstanz : Konstanz Univ. Press, 2012, hier den Teil "Ein bisschen Feldforschung") oder in den Klassiker "Uni-Angst und Uni-Bluff heute : wie studieren und sich nicht verlieren" von Wolf Wagner (Aktualisierte und vollst. überarb. Neueusg., 3. Aufl. der Neuausg. Berlin : Rotbuch-Verl., 2012) zu schauen.

Implizit ist dieses Buch auch eine Einführung in eine Kulturgeschichte wissenschaftlichen Arbeitens, die bisher noch nicht geschrieben wurde. Ich selbst will mich irgendwann mal an so etwas wie eine Geschichte von (vor allem bibliothekarischer) Aktivitäten zur Förderung von Informationskompetenz und wissenschaftlichem Arbeitens machen. Dazu harrt immer noch das Werk "Versuch einer Bibliographie zur bibliothekarischen Wissenschaftspädagogik im deutschsprachigen Gebiet : 1500 – 1970" von Dieter Schmidmaier (Freiberg: Bibliothek der Bergakademie, 1970) auf Auswertung meinerseits in heimatlichen Bücherregal.

Und diese Geschichte begann schon früh, wie nicht nur die eben genannte Bibliografie zeigt. Schon am Ende des 18. Jahrhunderts wurden beispielweise viele Publikationen zur sogenannten Hodegetik, als "Lehre von der Anleitung zum Universitätsstudium" publiziert, zu deren Geschichte ein Mitherausgeber einer auch heute noch publizierten Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten einen schönen Aufsatz geschrieben hat: Joachim Stary: Hodegetik oder "Ein Mittel gegen das Elend der Studierunfähigkeit". Eine historische Betrachtung. (Das Hochschulwesen. 42, 1994, 4, S. 160–164). Nicht zuletzt wird in Krajewskis Buch zum wissenschaftlichen Arbeiten übrigens auch Wilhelm Ostwald erwähnt, der Lesenden dieses Blog nicht unbekannt sein dürfte. Das erwähnte Buch ist übrigens "Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens : eine praktische Anleitung" (Norbert Franck und Joachim Stary (Hrsg.) 16., überarb. Aufl. Paderborn: Schöningh, 2011). zu dem auch Krajewski ein Kapitel zu elektronischen Literaturverwaltungen beigesteuert hatte.

Weiteres zum Thema Wissenschaftliches Arbeiten und Wissenschaftliches Schreiben:

Eine Kritik des Kompetenzbegriffs

In der neu erschienenen Festschrift "Hochschuldidaktik im Zeichen von Heterogenität und Vielfalt : Doppelfestschrift für Peter Baumgartner und Rolf Schulmeister" (hrsg. von Gabi Reinmann, Martin Ebner, Sandra Schön. Norderstedt: Books on Demand, 2013), die online frei verfügbar ist, findet sich ein Beitrag von Gabi Reinmann mit dem Titel "Lehrkompetenzen von Hochschullehrern: Kritik des Kompetenzbegriffs in fünf Thesen" (S. 215-234).

Hier die fünf Thesen, die mir bis auf die vierte auch in den Bereich Informationskompetenz hinein übertragbar und diskussionswürdig erscheinen:

  1. Dem Kompetenzbegriff ist das genuin Pädagogische abhandengekommen.
  2. Kompetenzdefinitionen haben ein gestörtes Verhältnis zum Wissen.
  3. Die Kompetenzdiskussion hat etwas von einer Tugendethik.
  4. Kompetenzmodelle für Hochschullehrer sind unspezifisch für die Profession.
  5. Ein Verzicht auf den Kompetenzbegriff wäre hochschuldidaktisch vorteilhaft.

Gerade im Text zur letzten These steht eine Frage (S. 228), die man problemlos auf Informationskompetenz übertragen kann:

Wie wäre es denn, wenn wir nicht Lehrkompetenzen [Informationskompetenz sic!] fördern, sondern das Wissen um Lehre [das Wissen um Information und Informationsprozesse], das Können in der Lehre [das Können beim Informieren, Schreiben, Zitieren, Publizieren usw.] und die Haltung zur Lehre [die Haltung zum kritischeren und bewussteren Umgang mit Information] positiv verändern wollten? Was wären die Gefahren und was die Chancen, wenn man auf den Kompetenzbegriff verzichten und in seine wichtigsten Komponenten zerlegen würde?

Folgende weitere Beiträge in der Festschrift sind mir noch besonders aufgefallen:

  • Muster und digitale Werkzeuge für kreatives Denken im Hochschulstudium (Christian Kohls), S. 113ff
  • Bloggen und Microblogging in Lehrveranstaltungen – Variationen aus sieben Jahren eigener Lehrpraxis (Andrea Back), S. 151ff

Diskussionen um Informationskompetenz

Karsten Schuldt spricht mit seinem Beitrag "Das Unbehagen mit der Informationskompetenz" wichtige Diskussionspunkte zum Verständnis von Informationskompetenz an.

Mit den sich laufend weiterentwickelnden Informationslandschaften müssen bisherige Konzepte und Praxis zur Förderung von Informationskompetenz auch weiterentwickelt werden. Deshalb finde ich solche Diskussionen immer wieder sehr wichtig und erhellend. Die bisherige Popularität des Themas Informationskompetenz im Bibliotheksbereich hat ganz sicher auch mit der historischen Situation von Bibliotheken zu tun. Darum ist ein grundsätzliches Hinterfragen immer wieder wichtig!

Information literacy wurde von einem amerikanischen Kollegen mal als „critical attitude“ beschreiben und auch für mich ist dies ein wesentlicher Kern von Informationskompetenz (IK). Meine eigene, eher theoretisch orientierte Haltung habe ich letztes Jahr im "Handbuch Informationskompetenz" publiziert (als Preprint nun auch Open Access zur Verfügung). Eine kürzliche Rezension des Handbuches von Lars Müller, über die ich mich aus verständlichen Gründen sehr gefreut habe, ist gerade bei Libreas erschienen.

Seit die TU-Bibliothek ihr Discovery-System TUBfind als primären Sucheinstieg nutzt, hat sich der Zugriff auf ihre elektronischen Volltext-Ressourcen erheblich gesteigert! Das Argument, lieber Informationssysteme zu verbessern statt zu viel Aufwand in IK-Aktivitäten zu stecken, ist so alt, wie das Thema IK selbst. Aus meiner Sicht ist beides notwendig. Aber die Frage ist, was genau wird mit IK gemeint (kann auch eine uferlose Diskussion sein, ist halt eine „diskursive Konstruktion“ der Begriff 😎 ) und wie kann man diese (nicht nur die Diskussion, sondern das, was mit information literacy gemeint ist!) sinnvoll fördern. Letzteres ist auch durch Marketing-Massnahmen, durch den Einsatz von Embedded Librarians, durch qualifizierte Beratung an der Information / Auskunft (die leider immer weniger nachgefragt wird), durch eine klaren, strukturierten und nicht überladenen Webauftritt oder z.B. durch interessante Blog-Beiträge, wie es sie von vielen Bibliotheken gibt, möglich.

Ich finde das Thema IK und deren Förderung immer dann fraglich, wenn es als Begründung für ein Überleben von Bibliotheken herhalten muss, wobei oft so getan wird, dass Bibliotheken die einzigen sind, die Informationskompetenz als Themenfeld beackern, was ja mitnichten der Fall ist. Zudem habe ich manchmal den Eindruck, dass man auf bibliothekspolitischer Bühne etwas überzogene Vorstellungen zum Thema hat. Man darf bei welchem Thema auch immer das jeweilige Thema bibliothekspolitisch nicht den jeweiligen Experten überlassen. 😎

Auch anderswo gibt es viele Diskussionen, wie Bibliotheken am besten das (sogar lebenslange) Lernen und Informationskompetenz fördern koennen. Hier ein paar Beispiele:

Warum jonglieren?

Vor mehr als 15 Jahren hatte ich mal im Rahmen eines Urlaubs zusammen mit meinen Söhnen angefangen, Jonglieren zu lernen. Seit drei Jahren, nachdem Jonglieren durch meine Initiative immer wieder eines der Themen des Standes der TU-Bibliothek beim alljährlichen Sommerfest der TUHH war, habe ich mich intensiver damit beschäftigt.

Beim Jonglieren lernt man etwas über das Lernen, wie folgendes Zitat von Claude E. Shannon (1916-2001) betont. Dieser Mathematiker und Ingenieur, Theoretiker der Information und Begründer der technischen Kommunikationstheorie, konstruierte sogar Jonglier-Maschinen!

“The art of juggling in all its many forms is that of learning the appropriate responses to stabilize unstable situations.”

Jonglieren kann aber auch Metapher für den Umgang mit Informationen in unserer modernen Informationsgesellschaft sein! Ja, viele Erfahrungen, die man beim Jonglieren macht, sind beim wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben, insbesondere auch im Management oder gar ganz allgemein in der zwischenmenschlichen Kommunikation nützlich!

Folgendes lernt man beim Jonglieren u.a.:

  • Geduld haben!
  • Loslassen können!
  • Kopf und Körper zusammenspielen lassen!
  • Den Kopf von Überflüssigem befreien!
  • Veränderungen erscheinen schwer und müssen schrittweise erarbeitet werden!
  • Misserfolge (hier besonders Bücken und Aufheben!) gehören zum Lernprozess!

Ansonsten, Jonglieren macht einfach Spass und ist aktive Entspannung!

(Zitat von Shannon aus dem Buch von Axel Roch: Claude E. Shannon: Spielzeug, Leben und die geheime Geschichte seiner Theorie der Information. Berlin: gegenstalt Verlag, 2009. S. 167)

Bibliothek 2.0 und Bibliotheksentwicklung

Schweizer Kollegen publizieren eine neue ambitionierte Zeitschrift mit dem Titel "027.7 Zeitschrift für Bibliothekskultur / Journal for Library Culture". Bei mir ist der Untertitel Bibliothekskultur besonders gut angekommen, da ich ja auch gerne von Informationskultur rede. 😎 Außerdem habe ich gerade einen Aufsatz für eine amerikanische Bibliotheks-Zeitschrift über einen der ersten Förderer der Dezimalklassifikation in Deutschland geschrieben, der in seinen Briefen an Mitstreiter DK-Notationen als Ersatz für manche Worte verwendet, wodurch mich der Titel der Zeitschrift zusätzlich angesprochen hat.

Mein Hamburger Kollege Werner Tannhof, der im Blog der Universitätsbibliothek der Helmut-Schmidt-Universität immer wieder interessante Beiträge publiziert, hat zudem einen Artikel mit dem Titel "Das deutsche wissenschaftliche Bibliothekswesen jenseits der Bibliothek 2.0 – Zukunft jetzt gestalten" beigesteuert. Da Werner Tannhof mich im Vorfeld des Artikels nach meiner Sicht gefragt hat, wie die Bewegung zur Bibliothek 2.0 die Bibliotheksentwicklung in Deutschland geprägt habe, erlaube ich mir hier noch ein paar Anmerkungen.

  • Die Existenz eines wirklichen Mehrwertes von Bibliothek-2.0-Aktivitäten für die Nutzenden von Bibliotheken ist sicher schwierig zu messen. So kann man auch für das Blog der TUHH-Bibliothek fragen, wieweit dessen Inhalt wahrgenommen werden – gefühlt manchmal eher weniger! Trotzdem ist es ein wichtiges Instrument des Marketing von Neuigkeiten. Als Bibliothek hat die TU-Bibliothek beim Thema Web 2.0 wahrscheinlich auch die Entwicklung der Universität in Richtung Social Media mit beeinflusst. Die TUHH als Institution Universität fängt erst seit letztem Jahr in diesem Bereich vermehrt Aktivitäten an!
  • Bei vielen Aktivitäten von Bibliotheken im Bereich IT sind Bibliotheken oft Early-Adopter! Und dies gilt teilweise auch für das Thema Web 2.0! So z.B. auch beim eLearning, wo an der TUHH auch die Bibliothek mit eine treibende Kraft war, Lernmanagement-Systeme – und besonders als Open Source Variante – einzuführen. Die von Werner Tannhof in einem Blog-Artikel zitierten Thesen zum Scheitern wissenschaftlicher Bibliotheken von Steve Coffman finde ich zu kritisch. Innovationen brauchen auch Freiräume und ein Aus- und Rumprobieren und kein sofortiges Schielen auf Nachhaltigkeit! Man kann das auch alles anders verkaufen als Coffmann, Bibliotheken sind und waren immer am Puls der Zeit, so beim Erstellen von Webverzeichnissen und bei den Informationsvermittlungsstellen – Bibliotheken sind damit aber auch immer Teil der allgemeinen Entwicklung gewesen. Insgesamt ist es sicher auch viel zu früh, um endgültig über Beiträge der Library 2.0 Bewegung auf die Bibliotheksentwicklung zu sprechen! Spannend und ein positives Beispiel ist übrigens hier auch das Open Science Lab der TIB Hannover.
  • Das Thema Informationskompetenz profitierte für mich von Bibliothek-2.0-Aktivitäten dadurch, dass das Eigentliche oder der Kern von Informationskompetenz schärfer gefasst werden kann. Der ständige Wandel der Informationstechnologie wirft eben die Frage auf, welche Fähigkeiten und Eigenschaften des Individuums im Bereich Informationskompetenz wichtig bleiben. Lambert Heller sieht Informationskompetenz-Förderung als Teil eines veränderten Bibliotheksmarketing, in dem alle in Bibliotheken Arbeitenden ihre eigene Arbeit und die damit verbundenen Herausforderungen öffentlich (beispielsweise in Blogs) darstellen und wirklich selbst Erfahrungen im Web 2.0 sammeln. Nur durch für Interaktion auf Augenhöhe und Mitagieren in virtuellen Gemeinschaften sei es ohne pädagogischen Duktus und in informellem Rahmen möglich, durch Authentizität, Aufbau von Reputation und Nähe zur jeweiligen Gemeinschaft die Entwicklung von Informationskompetenz bei deren potentiellen Mitgliedern zu fördern und gleichzeitig die Reputation der Einrichtung Bibliothek zu erhöhen. Das heisst auch Mitforschen und Mitpublizieren, um aufgrund eigener Erfahrungen Beratung und Publikationsunterstützung geben zu können.
  • Dass das Thema Lernort für Werner Tannhof zu den großen Herausforderungen von Bibliotheken gehört, ist sicher nicht falsch. Es ist als Thema eigentlich aber eher und auch ein Thema für die Universität insgesamt. So gibt es an der TUHH im neuen Hauptgebäude studentische Lern- und Gruppenarbeitsräume, die nichts mit der Bibliothek zu tun haben. Trotzdem hoffe ich und als TU-Bibliothek arbeiten wir ständig daran, dass bei einer Universität als Institution eine Bibliothek weiterhin immer mit gedacht wird.
  • Eindeutig positive Beiträge von Bibliothek 2.0 zur allgemeinen Bibliotheksentwicklung sind natürlich die Web 2.0 Kataloge, heute Discovery-Systeme genannt, aber (!!) genauso wichtig ist heutzutage die Pflege der Knowledge Base von Link Resolvern – das ist fast wichtiger als klassische Katalogisierung bzw. das ist Katalogisierung heute!
  • Ein sehr wichtiger Aspekt von Bibliotheksentwicklung durch Bibliothek 2.0 ist der Einfluss auf die interne Bibliotheksentwicklung. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen können sich durch Blog-Beiträge u.a. an dem beteiligen, was man früher Öffentlichkeitsarbeit nannte. Schon lange nutzt die TU-Bibliothek intern ein Wiki, womit Kommunikationsmöglichkeiten und Mitarbeiterinnen-Beteiligung geschaffen wurden, die vorher so kaum möglich waren! In meiner Bibliothek ist das Wiki neben seiner Funktion zur internen Dokumentation Instrument für die Begleitung von Projekten, Planung von Veranstaltungen und manchmal sogar strategischen Diskussionen. Auch die Möglichkeiten für alle in Bibliotheken Arbeitenden auf dem Laufenden zu bleiben, wurden durch Web 2.0 Tools wesentlich erhöht. Klar, nicht jeder nimmt dies zu jeder Zeit wahr, mancher vielleicht auch gar nicht.

Zum Abschluss noch ein paar persönliche Bemerkungen zu Stellen, die mir im Text von Werner Tannhof besonders aufgefallen sind:

  • Werner Tannhof bezeichnet mich als eine "’Gallionsfigur‘ der deutschen IK-Vermittlungsszene" (S. 6). Ganz abgesehen davon, dass man Informationskompetenz nicht vermitteln sondern nur fördern kann: In Wikipedia habe ich gelernt, dass Galionsfiguren "ein ‚lebendes Aushängeschild‘ eines Vereines oder einer Interessengruppe sind oder eine Führungs- oder Vorreiterfunktion innehaben". Wenn überhaupt dann gilt dies für mich eher im Sinne des ebenfalls bei Wikpedia erwähnten "Aberglauben[s] von Seeleuten", also als jemand, der "den Kurs des Schiffes beobachten[t] und es vor Unglück bewahren[t]". 😎
     
  • "Wie es deutsche Bibliotheksleitungen und die Referenten in den Länderministerien zulassen können, dass IT-Abteilungen ihrer Kreativität und ihrem Ehrgeiz freien Lauf lassen dürfen und nicht zumindest auf regionaler Ebene (wie in Sachsen) gemeinsam entwickeln, wird sich einem Aussenstehenden wohl kaum vermitteln lassen."(S. 9)

    Hier frage ich mich, wie Kreativität, die in Bibliotheken jetzt und für die Zukunft unabdingbar ist, entstehen soll ohne gewisse individuelle Freiräume. Die Möglichkeiten, eigene Ideen umzusetzen und Erfahrungen zu sammeln (natürlich im weiteren Bereich des eigenen Arbeitsumfeldes), ist für mich legitim, und diese möchte auch ich selbst nicht missen. Sie führen zumindest aufgrund meiner Erfahrungen an der TU-Bibliothek zu sehr guten Ergebnissen bei der Weiterentwicklung der Bibliothek.

    Mangelnde Kreativität führt im deutschen Bibliothekswesen aus meiner Sicht auch dazu, dass bei der "Neuausrichtung überregionaler Informationsservices" lieber auf kommerzielle System gesetzt wird, wie die von Adrian Pohl in einem Blog-Beitrag diskutierten Entscheidungen zu DFG-Anträgen zeigen.

  • "Dezent wird dabei allerdings von der bibliothekarischen Blogger- und Twitterer-Szene ausser Acht gelassen, dass derartige Aktivitäten zu nicht geringen Anteilen während der regulären Arbeitszeiten erfolgen und nicht unmittelbar mit den eigentlichen beruflichen Aufgaben, nämlich dem täglichen Dienst am ‚Kunde König‘ zu tun haben …" (S. 7)

    Auch diesen Satz kann ich leider nicht ganz nachvollziehen: Laufende Weiter- und Fortbildung gehören unablässig zum beruflichen Alltag dazu und damit auch das Lesen von Blogs und die Nutzung von Twitter. Und zum Verarbeiten von Information ist es immer noch am besten, diese für sich festzuhalten und im Optimum für andere auch zur Verfügung zu stellen. Insofern halte ich ein Bloggen und Twittern während der Arbeitszeit in einem gewissen Rahmen sogar für notwendig.

    Zudem wird die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit immer diffuser, was positiv empfunden werden kann aber nicht muss (!). Denn dies hat auch große Nachteile. Um diese zu vermeiden, ist Selbstmanagement gefragt, eine Kompetenz, welche zu erlangen nicht immer einfach ist (bei mir jedenfalls ist deren Erlangen immer noch ein laufender Prozess!).

    Klar ist es hier denkbar, dass man zu viel Zeit ins Bloggen und Twittern investiert und Anderes vernachlässigt. Aber die immer vielfältiger werdenden Bedürfnisse von Nutzenden verlangen immer grössere Kompetenzen von in Bibliotheken Arbeitenden, die nur durch ständiges Lernen entwickelt werden können, und dabei kann auch das Bloggen und das Twittern unterstützen.

Andere Perspektiven auf Informationskompetenz

Dass das Thema "Wissenschaftliche Kommunikation" ganz enge Beziehungen zur Informationskompetenz hat, zeigt einmal mehr ein "white paper" mit dem Titel
"Intersections of Scholarly Communication and Information Literacy: Creating Strategic Collaborations for a Changing Academic Environment" der amerikanischen Association of College & Research Libraries (ACRL).

Schon fast klassisch gibt es ja enge Überschneidungen zwischen dem Bereich Wissenschaftliches Arbeiten und Informationskompetenz, hier ist besonders die Literaturverwaltung ein enges Bindesglied. Diskussionen um die Zukunft des Publizierens, zum Beispiel gerade in der Zeitschrift Nature publiziert, die Aktualität von Themen wie Forschungsdaten, Open Access und alternativen Modellen zum Ranking von Forschung sowie die Bedeutung von Urheberrechts-Fragen im elektronischen Alltag zeigen die inhaltliche Bedeutung des Themas dieses Berichtes.

In dem Papier werden drei Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlicher Kommunikation und Informationskompetenz besonders hervorgehoben:

  1. "economics of the distribution of scholarship (including access to scholarship, the changing nature of scholarly publishing, the education of students to be knowledgeable content consumers and content creators)
  2. digital literacies (including teaching new technologies and rights issues, and the emergence of
    multiple types of non-textual content)
  3. our changing roles (including the imperative to contribute to the building of new infrastructures for scholarship, and deep involvement with creative approaches to teaching)" (S. 1)

Zwei Dinge sind mir beim Browsen durch das Papier noch besonders aufgefallen:

  • Der Abschnitt 1.6. Publishing as Pedagogy (S. 9) bringt mich auf die Idee, einen Kurs zum wissenschaftlichen Arbeiten einfach mal als Publikationsprojekt auszuprobieren, was sicher schon irgendwo auch in Deutschland ausprobiert wurde.
  • Die Nutzung des Begriffes "Information fluency" (S. 14-15)

Fragen des Life Cyle von Information, speziell wissenschaftlicher Information, führen letztendlich auch zu Fragen darüber, was Wissenschaftlichkeit, was wissenschaftliche Wahrheit oder Wahrheit überhaupt eigentlich ist.

"Informationskompetenz neu konfigurieren" ist auch der Titel einer Präsentation auf dem 5. Bibliothekskongress in Leipzig im März von Lars Müller. Er nutzt u.a. das schöne Bild von zu "figurierenden" Informationslandschaften der Britin Annemaree Lloyd.

Weitere Folien von Vorträgen beim Bibliothekskongress zum Themenfeld "Bibliothekarische Dienstleistungen, Vermittlung von Informationskompetenz, E-Tutorials" sind auf dem BIB-Publikationsserver publiziert.

Aktuelle Präsentationen zum Thema Metaliteracy von Trudi Jacobson und Tom Mackey bieten ebenso andere und neue Perspektiven auf Informationskompetenz wie manche der Beiträge zur britischen Konferenz Librarians’ Information Literacy Annual Conference (LILAC) 2013.