Nachdenken über Open Access

"Open Up! The Politics and Pragmatics of Open Access" war der Titel eines höchst anregenden Workshops am 4. Oktober auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft vom 3. bis 5. Oktober 2013 in Lüneburg.

Nachdem kurz zuvor in Hamburg die Open-Access-Tage stattfanden (zugehörige Tweets, siehe auch die Zusammenfassung von Christian Heise), wurden in Lüneburg grundsätzliche Fragen des Open Access diskutiert, die im Programm des Hamburger Treffens wohl nur am Rande eine Rolle spielten (Im schönen von Ulrich Herb herausgegebenen Sammelband "Open Initiatives: Offenheit in der digitalen Welt und Wissenschaft" sind übrigens teilweise ebenfalls solche grundsätzlichen Fragestellungen angesprochen.):

  • Was bedeutet Offenheit eigentlich genau? Beim Workshop stellten Marcus Burkhardt und Christian Heise die Open Definition der Open Knowledge Foundation vor. Dass das Konzept der Offenheit auch kritisch zu sehen ist, wurde u.a. durch einen Hinweis auf einen Aufsatz von Nathaniel Tkacz mit dem Titel "From open source to open government: A critique of open politics" (Ephemera 12(2012)4, 386-405) betont. Ein weiterer Text zur Beantwortung der Frage stammt von Michael A. Peters: The Idea of Openness.
  • Angesichts der Entwicklung, dass heutzutage fast jeder Verlag ein Open-Access-Angebot vermarktet, dass es zweitens immer mehr Verlage gibt, deren Geschäftsmodell grenzwertig erscheint (vgl. Beall’s list) bzw. dass drittens die Qualität des Peer Reviews gerade von Open-Access-Journals hinterfragbar ist (vgl. den Hinweis und Kommentar zum aktuellen Special der Zeitschrift Science zur Wissenschaftskommunikation von Fabiana Kubke), wird deutlich, dass etwas gut Gedachtes bzw. Gemeintes auch seine Schattenseiten haben kann.
    Beim Begriff Open Access schwingen immer die Themen Peer Review bzw. Bewertung von Wissenschaft sowie auch geistiges Eigentum bzw. Urheberrecht mit. Hier ist besonders zu betonen, dass das Peer Review auch bei klassischer Verlagspublikation schon lange ein Diskussionsgegenstand ist. Auch bei der Sokal-Debatte Mitte der neunziger Jahres des letzten Jahrhunderts war dies implizit mit thematisiert.
    Ein philosophisches und systematischeres Nachdenken über Offenheit erscheint notwendig, wofür dieser Workshop für mich einen schönen Ausgangspunkt darstellte. (Ob es also die Definition von Offenheit gibt, erscheint mir damit eher fraglich.)
  • In ihrem Workshop-Beitrag mahnte die Britin Janneke Adema eine kritischere Sicht auf Open Access an, die aber nicht gleich negativ sein muss. Sie zeigte am britischen Finch-Report "Accessibility, sustainability, excellence: how to expand access to research publications", dass Open Access auch als neoliberaler Versuch gesehen werden kann, die Effizienz der wissenschaftlichen Kommunikation zu steigern, wie solche Sätze zeigen:

    "Improving the flows of the information and knowledge that researchers produce will promote

    • enhanced transparency, openness and accountability, and public engagement with research
    • closer linkages between research and innovation, with benefits for public policy and services, and for economic growth;
    • improved efficiency in the research process itself, through increases in the amount of information that is readily accessible, reductions in the time spent in finding it, and greater use of the latest tools and services to organise, manipulate and analyse it; and
    • increased returns on the investments made in research, especially the investments from public funds" (S. 5)

    Nach Janneke Ademas Meinungs impliziert "radical open access" auch ein Infragestellen jetziger Institutionen und Praktiken der wissenschaftlichen Kommunikation, des Wesens des Buches sowie des Wesens akademischer Autorenschaft und der Generierung wissenschaftlich relevanten Wissens heute. Die heutigen technischen Möglichkeiten erlauben vielfältiges Experimentieren mit Alternativen. Dabei verwies sie auch auf zwei interessante Projekte "remixthebook" und "Living Books About Life".

  • Der Inder Nishant Shah erinnerte in seinem Beitrag an die heutige Herausforderung "Big Data", in der Offenheit hinsichtlich von Datenschutz und Privatsphäre durchaus kritisch zu sehen ist. Vor kurzem schrieb er in seinem Blog unter dem Titel "Big Data, People’s Lives, and the Importance of Openness" einen Text, der so endet:

    We need to remind ourselves that engagement with data is not a sterile engagement, rendered beautiful through visualizations and infographics that can make reality intelligible. It is perhaps time to realize that Data has replaced People as the central concern of being human, social and political. Time to start re-introducing People back into debates around Data, and acknowledging that Data Informatics is People Informatics and data wars have a direct effect on the ways in which people live. And Die.

  • Mercedes Bunz, die Leiterin des diesen Workshop organisierenden, ambitionierten Projektes Hybrid Publishing Lab der Leuphana Universität, unterschied in der Diskussion nochmals zusammenfassend die unterschiedlichen angesprochenen Kontexte von Offenheit: die politische Verwaltungsebene (Open Data), die forschungs- bzw- wissenschaftsbezogene (Open Access) und die ebenfalls politische, eher veränderungsbezogene Ebene von Offenheit. Darüberhinaus werden durch Open Access größere und erweiterte Öffentlichkeiten erreicht, sowohl vom Umfang her als auch von vermittlungsbezogener, eher populärer Ebene aus gesehen.

Ein Gedanke zu „Nachdenken über Open Access

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