Multiepistemische Sichten (auf Wissenschaft, auf …)

Schon länger befasse ich mich mit unterschiedlichen Sichten auf Wissenschaft und auch damit wie unterschiedlich Wissenschaft in den verschiedenen Wissenschaften verstanden werden kann. Beides wird von mir als wichtigen Teil einer umfassend verstandenen Informationskompetenz und auch Wissenschaft(lichkeit)skompetenz gesehen.

Immer mehr sind mir dabei auch Aspekte der Vielfalt der Wissenschaften wichtig geworden, etwa aus genderspezifischer Sicht (dazu vgl. etwa Iris Mendel: WiderStandPunkte : umkämpftes Wissen, feministische Wissenschaftskritik und kritische Sozialwissenschaften. Münster: Westfälisches Dampfboot, 2015, zu anderen, hier schon erwähnten Texten von Mendel) oder die Frage nach einem Verständnis von Wissenschaft(en) aus nicht-westlicher Perspektive (vgl. dazu etwa Boaventura de Sousa Santos: Epistemologien des Südens : gegen die Hegemonie des westlichen Denkens. Münster: Unrast, 2018).

All das passt nämlich auch zum Nachdenken über das und zum Weiterentwickeln des „ACRL Framework for Information Literacy for Higher Education“, das anlässlich der deutschen Übersetzung des Frameworks in begleitenden Aufsätzen in der Zeitschrift o-bib auch in Deutschland noch mehr Beachtung erfährt.

So bin ich vor Monaten bzgl. des Frames „Authority is Constructed and Contextual“ auf einen passenden Aufsatz mit dem Titel „Exploring worldviews and authorities : Library instruction in Indigenous Studies using Authority is Constructed and Contextual“ von Michael Dudley (College & Research Libraries News, 81(2), 66, 2020) gestoßen.

Die Thematisierung indigenen Wissens hier sowie das im obigen Aufsatz zitierte Buch mit dem Titel „Reshaping the University : Responsibility, Indigenous Epistemes, and the Logic of the Gift“ (UBC Press, 2007) von Rauna Kuokkanen, einer zwischen Finnland und Kanada wechselnden feministischen Wissenschaftlerin für „Indigenous Studies and Political Science“, haben mich vollends neugierig gemacht:

  1. auf andere Sichten auf die Welt, auf Wissen, auf Wissenschaften, auf …?
  2. auf Möglichkeiten auch im Bibliotheks- und Informationswesen, in den Informationwissenschaften, eine Sicht der Dekolonialisierung sichtbar zu machen?
  3. und vielleicht auch eine Sicht auf Informationskompetenz und Wissenschaft(lichkeit)skompetenz zu entwickeln, in die Sichten aus dem globalen Süden und/oder in die indigene Sichten einfließen könnten?

zu 1)

In ihrem spannenden Buch fragt Rauna Kuokkanen nach Möglichkeiten an Universitäten verstärkt ein auch indigene Sichten umfassendes Denken zu etablieren, sie betont mit Derrida, dass „politics and ethics of the university … implies something more than knowledge, something more than a constative statement.“ (Kuokkanen, 2007, S. 7) Anerkennung von Verantwortung für Kolonialisierung, Ausbeutung und Unterdrückung umfasst auch „Openness to various kinds of knowledge“ (S. 20).

Andere Sichten auf das Lernen, auf Wissen sind vielleicht besser geeignet oder gar notwendig (vgl. dazu etwa Herman, R.D.K. Traditional knowledge in a time of crisis: climate change, culture and communication. Sustain Sci 11, 163–176 (2016). https://doi.org/10.1007/s11625-015-0305-9), um anstehende Veränderungen aufgrund der vorhandenen und sich verstärkenden Krisen, wovon die Klimakrise als ökologisch-soziale für mich die entscheidenste ist, besser oder überhaupt bewältigen zu können.

Gegen Ende ihres Buches schreibt Kuokkanen „…, we can speak of ‚multiepistemic literacy‘ with literacy understood in a broad sense, as an ability not only to read and write but also to listen and hear, to learn, …“ (S. 155) Dieses „Multiepistemische“ ist daher in den Titel des Beitrags gewandert.

Eine Kurzfassung von Kuokkanens Buch ist übrigens als „Indigenous Epistemes“ (A Companion to Critical and Cultural Theory. Ed. I. Szeman, S. Blacker, and J. Sully. Wiley-Blackwell (2017). 313-326) publiziert.

zu 2)

Erste Ansätze zum Thema Dekolonialisierung im Bibliotheksbereich sind ja nun auch in Deutschland zu sehen.

Die spannendsten Veröffentlichungen des letzten Jahres im Bibliothekswesen insgesamt waren für mich die Texte von Nora Schmidt, die ihre Dissertation mit dem Titel „The Privilege to Select: Global Research System, European Academic Library Collections, and Decolonisation“ (2020, Lund University, Faculties of Humanities and Theology, https://doi.org/10.5281/zenodo.4011296) auch als deutsche Zusammenfassung veröffentlicht hat: „Überlegungen für die Dekolonialisierung wissenschaftlicher Bibliotheken in Europa“ (2021).

Im Januar 2021 gab es ein von österreichischen Kolleginnen organisiertes Online-Austauschtreffen „Decolonize the Library“ (Aufruf mit Programm und Video, und noch ein Bericht zur Veranstaltung), bei dem auch Nora Schmidt einen Impulsvortrag gegeben hat. Speziell die Betonung von „kultureller Demut“ durch Nora Schmidt, nicht nur bezogen auf das Wissenschaftssystem, gefällt mir.

Gespannt bin ich auch auf das Ergebnis eines Call for Papers der Zeitschrift Libreas mit dem Schwerpunkt Dekolonialisierung.

zu 3)

Macht es Sinn über so etwas Ähnliches wie Informationskompetenz aus Sicht des globalen Südens nachzudenken? Wer hat schon mal über Alternativen, konzeptionell und von der Benennung her, zum Konzept Informationskompetenz nachgedacht bzw. wer kennt solche, die einen indigenen Hintergrund haben oder ursprünglich aus dem „globalen Süden“ stammen?

Ich meine hier jetzt nicht „indigene information literacy“, also eine Informationskompetenz, um Ressourcen indigener oder postkolonialer Sichten auf die Welt, auf Geschichte, auf Wissen usw. zu ermitteln bzw. um Information und Literatur zur Disziplin „Indigenous Studies“ (etwa so etwas) zu finden.

Letztlich bewusst geworden ist mir die Bedeutung von Konzepten aus dem Süden, die im Norden und Westen nur langsam Fuss fassen, vor Jahren bei einem Vortrag zur Ernährungssouveränität, ein Begriff, der aus dem Süden stammt. Auch das „Buen Vivir“, einem Konzept ‚des guten Lebens‘ aus den Andenländern, gehört zu diesen Konzepten, die von Bedeutung für Süd und Nord, West und Ost sein können.

Wissenschaft(lichkeit)skompetenz als Metakompetenz

In den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) wurde vor Kurzem ein Aufsatz über „Science Literacy“ publiziert, der auch einen starken Bezug zu „media and information literacy“ aufweist und auf den Sheila Webber hingewiesen hat:

Emily L. Howell, Dominique Brossard: (Mis)informed about what? What it means to be a science-literate citizen in a digital world. PNAS April 13, 2021 118 (15) e1912436117; https://doi.org/10.1073/pnas.1912436117

Webber hebt das Verständnis von Wissenschaftskompetenz der beiden Autorinnen durch folgendes Zitat hervor, das auch meiner Sicht sehr nahe kommt:

„These abilities include: 1) Understanding how science is produced, and what that means for how science relates to broader society, or ‚civic science literacy‘; 2) understanding how science information appears and moves through media systems, or ‚digital media science literacy‘; and 3) understanding how people interpret science information when they come across it, or ‚cognitive science literacy.'“ (S.2)

Die hier beschriebene Wissenschaftskompetenz ist zu unterscheiden von anderen Sichten auf wissenschaftliche oder akademische Kompetenz („scientific literacy“). Gemeint ist nicht Kompetenz zum Erlernen wissenschaftlichen Arbeitens, um selbst wissenschaftlich tätig sein zu können. Gemeint ist auch nicht eine fachliche Kompetenz oder eine vertieftes Auskennen in einem oder mehreren Fachgebieten der Wissenschaften.

Aber auch hier muss man die Herausforderung der Übersetzung beachten. “Science” meint im englischen Sprachbereich eher Naturwissenschaft, also “physical sciences”. Der deutsche Begriff “Wissenschaft” wird hingegen (auch bei mir) viel weiter gefasst verwendet. Mehr zur Geschichte des Begriffs bei Paul Ziche u. Joppe van Driel: Wissenschaft (In: Europäische Geschichte Online EGO = European history online / hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte Mainz. 2011), ein Aufsatz, der sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch verfügbar ist.

Ich habe für den Begriff Wissenschaftskompetenz im Sinne des Aufsatzes in den PNAS mal den Begriff „Wissenschaftlichkeitskompetenz“ benutzt, etwa im Aufsatz „Offenheit und Wissenschaft“ mit einem

„Plädoyer für eine Wissenschaftlichkeits-Kompetenz, eine Form von Bildung, um Wissenschaftlichkeit und das Funktionieren von Wissenschaft(en) zu verstehen. Bildung umfasst ein Nachdenken über Wissenschaft, die Reflexion über die eigene Disziplin und deren sozialgesellschaftliche Einbettung in die moderne Gesellschaft.37 Dazu gehören Fragen danach, welche Chancen aber auch welche Grenzen Wissenschaften bieten, welche unterschiedlichen Sichten auf Wissenschaft(en), welche unterschiedlichen Methoden möglich sind u.a. So wie man zur ‚bewussten Förderung‘ kritischen Denken dieses „selbst zur Sprache bringen“ sollte,38 ist für einen im Rahmen von Bildung notwendigen kritischen Blick auf Wissenschaft(en), die Wissenschaft selbst und ihr Anspruch an Wissenschaftlichkeit zur Sprache zu bringen. Kritisches Denken ist wesentlich ‚metatheoretisch‘.39“ (S. 10-11 des Preprints, Literaturhinweise der Fussnoten siehe dort)

In meinem Positionspapier (2019) zur Informationskompetenz, publiziert via https://doi.org/10.18442/095, wird der Zusammenhang zur Wissenschaftskommunikation betont, dass diese Kompetenz der Wissenschaftlichkeit „eine kritische Wissenschaftskompetenz [darstellt], wie sie auch im Rahmen der Wissenschaftskommunikation (Priest 2013, https://doi.org/10.1177/270467614529707, nicht OA) oder […] als ‚epistemic competence‘ innerhalb der Fachdidaktik (Bußmann & Kötter, 2018, https://doi.org/10.23770/rt1819) diskutiert wird. Zu dieser Kompetenz gehört es, zu verstehen wie Wissenschaft funktioniert, wie Erkenntnisse durch definierte Methoden und kritische Beurteilung innerhalb einer akademischen Gemeinschaft oder Disziplin entstehen“ (S.24).

In einem als Paper nicht angenommenen und als Poster dann von mir zurückgezogenen Abstract für die nicht stattgefundene ECIL-Tagung im letzten Jahr hatte ich als Begriff „scientificity literacy“ gewählt:

Information literacy between scientific literacy and a civic literacy for a sustainable future – “scientificity literacy” as a boundary object

Objectives and Methodology
Teaching academic research methods and writing as well as information literacy is hardly possible without teaching an understanding of how (scholarly) knowledge emerges and how truth is understood. Scientific and scholarly work today is “collective in nature” as well as „heterogeneous“ and happens in “open systems” (Star, 1993). In a time of widespread digital collaboration, the current trend towards open research and open access, particularly questions the quality of research and makes the discussion, what characterizes scientificity, an issue. Information literacy is increasingly intertwined with media literacy, digital literacy, data literacy, metaliteracy, an „epistemic literacy“ (Tuomi, 2015), and, to emphasize the last in particular here, scientific literacy (Kuglitsch, 2018). Including epistemological challenges this paper shows that information literacy has strong connections to science communication (Priest, 2013), science education (Bußmann & Kötter, 2018) and even environmental education.
Based on a literature review at the intersection of epistemology, information and scientific literacy as well as on reflections about practical experiences of teaching courses in academic research methods and writing for Bachelor students, this paper introduces the concept of „scientificity literacy“. It offers exemplary topics to promote this concept and thus to enrich learning and teaching of academic research methods and writing.

Findings
The epistemological core of information literacy, called here “scientificity literacy”, may be considered as an abstract boundary object (Star, 1993, 102f), connecting different communities, professions, and disciplines, which also may have a different view on it. Making scholarship and science a topic on a meta-level, this core includes critical reflection about scholarship combined with an essential understanding of its functioning, an understanding, how the different scholarly disciplines arrive at their knowledge and insights, about their characteristics and history, theories and methods, their purposes, and benefits. Today “scientificity literacy” is a civic and social literacy, needed for the socio-ecological, sustainable transformation of a society, whose future more than ever depends on the responsible use of science and technology. It may also help to handle fake news. To make decisions grounded on scholarly arguments and research – whether in everyday life or as politicians (for example with regard to health or to environmental challenges as the climate change) – those who decide require an in-depth understanding of how the sciences work – a form of metaliteracy on scholarship and the sciences.

References
Bußmann, B., & Kötter, M. (2018). Between scientism and relativism: epistemic competence as an important aim in science and philosophy education. Research in Subject-matter Teaching and Leaning RISTAL, 1, 82–101.
Kuglitsch, R. Z. (2018). An interlocking and interdependent ecology: The intersection of scientific and information literacies. Reference Services Review, 46(2), 294–302.
Priest, S. (2013). Critical science literacy: What citizens and journalists need to know to make sense of science. Bulletin of Science, Technology & Society, 33(5-6), 138–145.
Star, S. L. (1993). Cooperation without consensus in scientific problem solving: Dynamics of closure in open systems. In S. Easterbrook (Ed.), Computer Supported Cooperative Work. CSCW. Cooperation or conflict? (pp. 93–106). London: Springer.
Tuomi, I. (2015). Epistemic literacy or a clash of clans? A capability-based view on the future of learning and education. European Journal of Education, 50(1), 21–24.

Keywords: information literacy, scientific literacy, epistemology, boundary object, socio-ecological transformation, academic research and writing

Digitale Versuche zur Lehre zum wissenschaftlichen Arbeiten

Corona hat seit dem Frühjahr 2020 auch die Lehre verändert. Lehrende produzierten mehr Videos, Podcasts oder hatten Zeit für neue Texte. Hier folgt eine Zusammenstellung meiner „Produkte“ zum Seminar wissenschaftlichen Arbeiten für Bachelor-Studierende an der TU Hamburg aus dem letzten Sommersemester.

Genaueres zur Situation nach 4 Wochen digitaler Lehre Ende Mai 2020 bietet auch eine Übersicht meines Kollegen Florian Hagen im Blog „tub.torials – Gedanken, Ideen und Materialien zu Offenheit in Wissenschaft, Forschung und Lehre“ der Universitätsbibliothek der TU Hamburg. Dieses Blog bietet eine Vielzahl weiterer Beispiele aus der Lehre zum wissenschaftlichen Arbeiten an der TUHH.

Wissenschaftliches Arbeiten in 2 Folien in 5 Minuten

Ingenieur(student)*innen haben ja selten Zeit und benötigen alles kurz und prägnant. 5 Minuten hatte ich als Gast in einem Online-Seminar „Erfolgreich Studieren“ Zeit, ein paar essentielle Tipps zum wissenschaftlichen Arbeiten aus Sicht von jemandem, der an einer Bibliothek arbeitet, vorzustellen.

Daraus entstand ein Video mit dem Titel „Wissenschaftliches Arbeiten in 2 Folien in 5 Minuten“. Die dazugehörigen Folien als PDF-Datei enthalten Links zu Angeboten der TU-Bibliothek.

Videos als asynchroner Input zu Themen des Wissenschaftlichen Arbeitens

Videos zur praktischen Literaturverwaltung

Gerade die praktische Auseinandersetzung schon vor Beginn einer Bachelor- oder Masterarbeit mit Literaturverwaltungsprogrammen wie Citavi oder Zotero sind für mich besonders wichtig. Schon beim Recherchieren können diese sinnvoll genutzt werden (“Keepin’ found things found”).

Neben einer umfangreicheren Übungsaufgabe zum Proben des Ernstfalls zeigen Videos die Nutzung von Literaturverwaltungsprogramms wie Citavi und Zotero in bestimmten Anwendungssituationen:

Podcast-Serie „Nachdenklichkeiten zum wissenschaftlichen Arbeiten“

Damit nicht immer nur Videos angeboten werden, entstand die Idee, zum Nachdenken Anregendes beim Thema Wissenschaftliches Arbeiten als Audio-Files anzubieten.

  1. Wissenschaftliches Arbeiten als Bedrohung
  2. Das Informieren hinterfragen
    (der passende Beitrag im Blog zum Seminar)
  3. Wie wirkt wissenschaftliches Arbeiten auf die Gesellschaft?
    (knapp 8 min, im Audiofile erwähnte Werke: Latour, Bruno: Cogitamus. Berlin: Suhrkamp, 2016. Sowie: Fleck, Ludwik:: Zur Krise der „Wirklichkeit“. Naturwissenschaften 17, 1929, 425–430.)

Zeit für Blog-Beiträge

Etwas Zeit zum Nachdenken und zum Aufschreiben desselben blieb im Laufe des Sommersemesters außerdem:

Was unterscheidet eigentlich die Begriffe „Wissenschaftliches Arbeiten“ und „Wissenschaftliches Schreiben“? Dazu hier mein Beitrag „‚Wissenschaftliches Arbeiten‘ oder ‚Wissenschaftliches Schreiben‘? Nachdenkliches zum Gebrauch von zwei Begriffen“ als Gastbeitrag auf dem Blog „Insights – dem Schaufenster zum digitalen Experimentierfeld an der TUHH“.

In Blog tub.torials wurden zudem die Texte von Studierenden zum Thema „Nachhaltigkeit und Digitalisierung“ aus einer Schreibaufgabe im Rahmen des Seminars Wissenschaftliches Arbeiten vom Wintersemester 2019/20 publiziert.

Folien eines Lehrinnovations-Projektes

Im vorherigen Wintersemester 2019/20 hatte ich als Ergebnis eines Projektes zur Lehrinnovation an der TUHH in der Verfahrenstechnik im Rahmen der Lehrveranstaltung “Grundlagen der Verfahrenstechnik und Werkstofftechnik” als Teil einer Vorlesungsreihe unter dem Titel „Einführung in die VT/BioVT“ Module zum wissenschaftlichen Schreiben bzw. Arbeiten integriert, die dazu dienten, eine am Beginn der Lehrveranstaltung gestellte Schreibaufgabe zu bearbeiten.

Im Rahmen dieser Module wird der Umgang mit Fachinformation (Recherche in Datenbanken) und das wissenschaftliche Schreiben, beides verbunden mit der Nutzung von Programmen zur Literaturverwaltung, thematisiert. Dies sind Punkte, die mit der Schreibaufgabe gleich praktisch angewandt werden. Gleichzeitig sind die Studierenden dadurch besser in der Lage, ihre Schwächen und Stärken beim wissenschaftlichen Schreiben zu reflektieren und einzuschätzen.

Neben der Vorstellung der Schreibaufgabe am Anfang gab ich drei inhaltliche Inputs, hier die Themen mit den Folien:

Einblicke in die Rolle der tub. in meiner Person als zuständiger Fachreferent beim Projektierungskurs Verfahrenstechnik an der TUHH bietet ein weiterer Blog-Beitrag bei tub.torials.

Warum ist Wissenschaftskommunikation für Informationskompetenz wichtig?

Was hat das Thema Wissenschaftskommunikation mit Informationskompetenz zu tun? Was hat Wissenschaftskommunikation mit Hochschulbildung zu tun? Warum ist Informationskompetenz für die Wissenschaftskommunikation wichtig und umgekehrt, warum ist die Wissenschaftskommunikation für Informationskompetenz wichtig?

Einige Texte der letzten Wochen gehören für mich zu möglichen Antworten auf meine obigen Fragen.

Wissenschaftskommunikation hochpolitisch

Die Herausforderungen des Klimawandels, die Friday-for-Future-Bewegung sowie Diskussionen um „Fake-News“ machen es immer notwendiger, Wissenschaft(en) für die Öffentlichkeit zugänglicher zu machen. Aber was heisst dies genau?

Vor kurzem wurde nun ein Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Wissenschaftskommunikation publiziert, in dem es heisst:

„Es ist für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung, dass es gelingt, sich zu zentralen Zukunftsthemen auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fakten zu verständigen. Transparente Kommunikation über Wissenschaft, ihre Arbeitsweisen und Haltungen ist hierfür eine wichtige Voraussetzung. Sie beginnt nicht erst in den Forschungseinrichtungen und Hochschulen, sondern schon von früher Kindheit an. Denn eine wissenschaftsmündige Gesellschaft setzt ein Grundverständnis von wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisprozessen sowie eine Fähigkeit zum kritischen Denken voraus. Alle Teile der Gesellschaft sind angesprochen.

Es gilt, Wissenschaftskommunikation in Zukunft stärker entlang der gesamten Bildungskette zu denken – von der Kita bis zur Hochschule und darüber hinaus.“ (S. 4)

Was hier für mich fehlt, ist zu erwähnen, dass es nicht „die“ Wissenschaft gibt sondern ganz unterschiedliche Wissenschaften. Zu einem „Grundverständnis“ von Wissenschaft gehört eine Reflexion über Wissenschaftlichkeit, also eine kritische Wissenschaftskompetenz, wie sie auch im Rahmen der Wissenschaftskommunikation etwa von Susanna Priest (Critical Science Literacy: What Citizens and Journalists Need to Know to Make Sense of Science, in: Bulletin of Science, Technology and Society 33, 5-6 (2013), S. 138-145) schon beschrieben wurde (vgl. auch Punkt 4 meines kürzlichen Positionspapiers zum Stand von Informationskompetenz).

Im Grundsatzpapier heisst es weiter

„Wissenschaftskommunikation zeigt auf, welchen Beitrag Wissenschaft und Forschung für die nachhaltige Entwicklung, die Innovationsfähigkeit und die Lebensqualität unserer Gesellschaft leisten. Sie stärkt die Verankerung von Wissenschaft in der Gesellschaft, die Wissenschaftsmündigkeit der Bürgerinnen und Bürger und die Demokratiefähigkeit der Gesellschaft insgesamt.
[…]
Wissenschaftskommunikation findet in der, aus der und über Wissenschaft statt. Die mit diesem Grundsatzpapier von Seiten des BMBF adressierte Wissenschaftskommunikation meint vor allem die allgemeinverständliche, dialogorientierte Kommunikation und Vermittlung von Forschung und wissenschaftlichen Inhalten an Zielgruppen außerhalb der Wissenschaft.“ (S. 2)

Zur Bildung über Wissenschaft gehört natürlich auch der Umgang von Politik mit „der“ Wissenschaft. Hierbei ist Kommunikation eigentlich keine Einbahnstraße. Die Wissenschaftsministerin forderte in einem Artikel in der Zeit (Nr. 47 vom 14. Novmber 2019) sogar noch „Wissenschaftler, redet mit uns“. Schade nur, dass Wisschaft Treibende manchmal nur dann gehört werden, wenn es politisch passend zu sein scheint. „Es wurde alles gesagt. Handeln!“ hieß es nämlich bei den Protesten der „Scientists for Future“, die sehr wohl Wissenschaftskommunikation in bestem Sinne betreiben, sich aber zu Recht von den politisch Verantwortlichen zu wenig wahrgenommen fühlen (Vgl. auch den Artikel zum Papier des BMBF in der Taz vom 22. November 2019, S. 18).

In einem Artikel der Wochenzeitung „Die Zeit“ zum BMBF-Papier zur Wissenschaftskommunikation und zum Protest der Scientists for Future (Die Zeit, Nr. 48 vom 21. November 2019, S. 39) wird auch auf eine gute Rede von Bundespräsident Steinmeier am 18. November 2019 zur Jahresversammlung der Hochschulrektorenkonferenz hingewiesen. Ausgehend von Umberto Ecos „Der Name der Rose“ geht es um Meinungsfreiheit uund Streitkultur mit dem Blick auf Universitäten und damit auch um Wissenschaftskommunikation.

Hochschullehre im digitalen Zeitalter

Beim Hochschulform Digitalisierung erschien im Oktober 2019 das Arbeitspapier 50 mit dem Titel „Was bedeutet Hochschullehre im digitalen Zeitalter? Eine Betrachtung des Bildungsbegriffs vor den Herausforderungen der Digitalisierung“.

Mit besonderem Blick auf die Lehre ist dieser Text angesichts der vielen Texte zur Digitalisierung an Hochschulen für mich von besonderem Interesse. Vielleicht liegt das auch daran, dass bei der AG des Hochschulforums Digitalisierung, die diesen Text zu verantworten hat, neben einem Informationsphilosophen auch ein Bibliothekar, ein Leiter einer UB, mit dabei waren. Im Text zitiert ist der separat veröffentlichte Text von Rafael Capurro zur AG mit dem Titel „Hochschulbildung im digitalen Zeitalter“.

Es geht in dem Papier des Hochschulforums also mehr um Bildung als um Kompetenzen, und das ist gut so. Neben (Fach-)Wissenschaft und Arbeitsmarktvorbereitung wird im Text des Hochschulforums besonders die Bedeutung der Persönlichkeitsbildung im Rahmen der Hochschulbildung hervorgehoben, wobei „digital literacy“ – umfassend als digitale Bildung gedacht – beim Umgang mit Wissen hervorgehoben wird. Sicher alles nichts Neues, aber für mich selten an einer Stelle so zusammengefasst.

Es geht bei der Wissenschaftsbildung wie bei der Wissenschaftskommunikation nicht nur um fachliche Inhalte. Zu solchem „(spezifischem Wissen) gehört […] auch die Reflexion von theoretischen und methodischen Fachvoraussetzungen (prozessuales Wissen)“ (S. 10 des Papiers). Es geht um Bildung über Wissenschaft(en) sowohl bei der „fachlichen Sozialisation“ an Hochschulen als auch bei jeglicher Sozialisation in der heutigen Welt. Eigentlich umfasst der „persönlichkeitsbildende Auftrag“ nicht nur der Hochschulen „die Befähigung zum gesellschaftlichen Engagement, zu ‚verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat‘ […]“ (S. 10, das letzte Zitat im Zitat stammt aus dem Hochschulrahmengesetz von 1976!), egal in welcher Form von Lernumgebung man gerade steckt.

Sodann heisst es auf S. 11 bzgl. der Notwendigkeit „überfachlicher Kompetenzen“:

Zu denken ist hier beispielsweise an die Fähigkeiten, komplexe Zusammenhänge verstehen, darlegen und hinterfragen zu können, Recherchen anzufertigen sowie Fragestellungen und Hypothesen zu formulieren. Ferner seien Zeit- und Projektmanagement, sowie Reflexionsfähigkeit, aber auch Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz genannt. Implizites Ziel[…] beim Einüben wissenschaftlicher Arbeits- und Denkweisen ist es, Studierende, ‚in Situationen der Ungewissheit, konkurrierender Deutungen und Normenkonflikte, zugleich aber auch des Zeitdrucks und Handlungszwangs‘ handlungsfähig zu machen.16 Dabei sollen sie diese Fertigkeiten als Absolventinnen und Absolventen sowohl im wissenschaftlichen Bereich anwenden sowie auch auf außerwissenschaftliche Felder einer sich wandelnden Arbeitswelt, deren zukünftige berufliche Anforderungen allenfalls bedingt vorhersehbar sind, übertragen können.(Fussnote 16 zitiert: Pasternack, Peer, Zukunftsthemen der Hochschulforschung – Einige prognostische Blicke, in: Das Hochschulwesen 57/5 (2009), S. 168-74)

All das sind Aussagen, die nicht nur auf Hochschulbildung zutreffen, auch Wissenschaftskommunikation sollte deutlich machen, dass Wissenschaft auch mit Ungewissheit, Konkurrenz und anderen Zwängen zu tun hat. Und auch diese Aussagen zum „Orientierungswissen“ gehen weit über Hochschulbildung und Wissenschaftskommunikation hinaus:

„[D]em Erwerb von Orientierungswissen im Bildungsprozess [muss] ein hoher Stellenwert zuerkannt und entsprechend ausreichend Raum gegeben [werden]. Orientierungswissen bedeutet für uns die Realisierung von Handlungsmaßstäben, die zu Handlungsmaximen führen und so erst verantwortbare Entscheidungen ermöglichen. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und im Bereich von Hochschulbildung ist der Erwerb von Orientierungswissen wichtig: Bloßes Verfügungswissen schafft hinsichtlich der Digitalisierung hauptsächlich instrumentelle Nutzungskompetenz. Das verstärkt einen grundsätzlichen Mangel, der Studierenden bewusst werden sollte: ‚Wir spüren, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.‘ (Ludwig Wittgenstein)“ (S. 30)

Das letzte Zitat von Wittgenstein taucht hier übrigens ohne eine Literaturangabe auf. Es stammt aus dem „Tractatus logico-philosophicus“ (Abschn. 6.5.2, Werkausgabe, Bd. 1, Suhrkamp 1984, S. 85) und es geht eigentlich noch weiter. Der Rest des Abschnittes 6.5.2. bei Wittgenstein lautet nämlich: „Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort.“ 😎 Wittgensteins Zitat beschreibt für mich in seiner Vollständigkeit genau die heutige Situation bei der Herausforderung des Klimawandels. Wissenschaft(en) kann bzw. können eben nicht alle Herausforderungen der Lebenswelt lösen bzw. beantworten. Was „technisch möglich ist“, hat immer auch eine gesellschaftliche und soziale Komponente, die berücksichtigt werden muss, was manchmal – auch von Hochschulen – vergessen wird.

Noch ein wichtiger Aspekt wird im Arbeitspapier kritisch angesprochen:

„Sie betrifft die Abhängigkeit der Hochschule und damit ihrer Forschung und Lehre von externen Soft- und Hardware-Architekturen. Hochschulische Forschung und Lehre ist bereits vielfach auf die vorgefertigten Lösungen großer Anbieter angewiesen und liefert sich bzw. die eigenen User ggf. den Verwertungsinteressen der externen Digitalkonzerne aus. Selbst die Entwicklungen in den einschlägigen Fachdisziplinen setzen womöglich auf Quellcodes und Architekturen auf, die als ‚Black-Box‘ in Kauf genommen werden müssen. Es gilt diese Entwicklung sorgfältig zu bedenken: aus wissenschaftlichen und aus politischen Gru?nden – eben und gerade wegen der davon betroffenen Autonomie.“ (S. 21)

An anderer Stelle heisst es

„Das Erlernen von wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen muss daher so angelegt sein, dass es die kontrollierte instrumentelle Nutzung von digitaler Technologie unter den eigenen Prämissen erlaubt. Das heißt, es muss verhindert werden, dass die wissenschaftlichen Prämissen durch die Strukturen und Prozesse spezifischer digitaler Konzernkulturen schleichend ersetzt werden. Die Notwendigkeit eines kritischen Umgangs mit Algorithmen, ein spezifisches Algorithmenverständnis als Teil von Quellenkritik im digitalen Zeitalter, wird hier dringend offenbar.“ (S. 18)

„Die zunehmende Komplexität und Intransparenz von eingesetzter Hard- und Software, der unterschiedliche Einsatz mathematischer Modelle und darauf basierender Simulationen unterminiere zudem ein weiteres wesentliches wissenschaftliches Prinzip, nämlich das der transsubjektiven Überprüfbarkeit.“ (S. 19, die Fußnote nach diesem Satz nennt: Wehr, Marco, Wie die Wissenschaft das Nachdenken verlernt, in: FAZ v. 9. Feb. 2016)

All das sind Herausforderungen, die sich immer mehr auch für den bewussten Umgang mit der Digitalisierung im Alltag stellen.

Als Ausweg wird im Arbeitspapier die Nutzung tendenziell offener Ressourcen explizit genannt:

„Dabei sollte angesichts der das Individuum immens formierenden und die Welt vorformatierenden Tendenz digitaler Medien und Formate der Gedanke Berücksichtigung finden, dass Bildung immer ein kreatives und exploratives Sichselbstentwerfen ist, das Freiräume für Erprobung und Selbstorganisation braucht. [… So] bieten z. B. ‚open educational resources‘ (OER) Möglichkeiten, Hochschulbildung als gestaltende Auseinandersetzung mit der Digitalität zu realisieren, indem sie zur kreativen Umgestaltung, zur Erfindung von Neuem und Widerspru?chlichem, zum Umfunktionieren und zur kollaborativen Erarbeitung und Verbreitung genutzt werden können. Gerade angesichts der formierenden Kraft des Digitalen darf die Hochschule ihren Auftrag zur Einübung in Autonomie nicht vernachlässigen.“ (S. 31)

Aber auch bei Befürwörtern von OER oder in der Friday-For-Future-Bewegung ist es immer wieder erstaunlich – andererseits aber aus Gründen der Bequemlichkeit auch verständlich – zu beobachten, mit welcher Selbstverständlichkeit Dienste wie WhatsApp oder Google Docs benutzt werden, ohne dies grundsätzlich zu hinterfragen.

Zu den eingangs gestellten Fragen: Reflexion über Wissenschaft sollte sowohl Teil von Hochschulbildung als auch Teil von Wissenschaftskommunikation in der digitalen Welt sein. Ganzheitlich verstandene Informationskompetenz, wie sie in diesem Blog beschrieben ist, kann für beide einen wichtigen Beitrag leisten.

Wozu ist eigentlich das amerikanische Framework zu Informationskompetenz gut?

Anlässlich eines von mir endlich gelesenen Aufsatz zum amerikanischen Framework for Information Literacy for Higher Education soll dieser Blog-Beitrag deutlich machen, warum es auch für eine Bibliothek wichtig ist bzw. sein kann, sich für unsere Aktivitäten zur Förderung von Informationskompetenz und zum wissenschaftlichen Arbeiten mit diesem Framework zu beschäftigen. Ich habe diesen Text auch in einem internen Blog der Universitätsbibliothek der TU Hamburg veröffentlicht.

Sauerwein, T. (2019). Framework Information Literacy – Aspekte aus Theorie, Forschung und Praxis. Bibliothek Forschung und Praxis, 43(1), 126–138. https://doi.org/10.1515/bfp-2019-2027 (Open-Access-Version https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/20519)

Das Framework ersetzt für mich die klassichen Standards zur Informationskompetenz. Es besteht aus 6 abstrakten Konzepten (Frames = Rahmen), die zur Beschreibung dessen dienen, was Studierenden als Wichtigstes vermittelt wreden sollte.

  • „Autorität ist ein Konstrukt und kontextabhängig [Authority Is Constructed and Contextual]
  • Informationen entstehen in einem schöpferischen Prozess [Information Creation is a Process]
  • Informationen sind wertvoll [Information Has Value]
  • Forschung ist (Hinter-)Fragen [Research as Inquiry]
  • Wissenschaft ist Austausch [Scholarship as conversation].
  • Recherche ist strategische Erkundung [Searching as a Strategic Exploration]“
    (S. 128, OA-Version S. 5)
„Autorität ist ein Konstrukt und kontextabhängig [Authority Is Constructed and Contextual] Informationen entstehen in einem schöpferischen Prozess [Information Creation is a Process] Informationen sind wertvoll [Information Has Value] Forschung ist (Hinter-)Fragen [Research as Inquiry] Wissenschaft ist Austausch [Scholarship as conversation]. Recherche ist strategische Erkundung [Searching as a Strategic Exploration]“.27

Visualisierung des Framework for Information Literacy for Higher Education
Erstellt von der AG Informationskompetenz des Bibliotheksverbunds Bayern in Kooperation mit Studierenden der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern, Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen
CC BY-NC-SA 4.0

Die bayerische AG Informationskompetenz hat nun vor kurzem eine Visualisierung der 6 Frames veröffentlicht (Nicole Scherbel: Framework turns visual : Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis von Informationskompetenz. Bibliotheksforum Bayern 13 (2019) 117)

Der Aufsatz von Tessa Sauerwein erläutert sehr schön, dass die Frames den Zusammenhang zwischen Informationskompetenz und dem wissenschaftlichen Arbeiten bzw. zwischen Informationskompetenz und dem „Forschungsdiskurs“ rund um „Guter wissenschaftlicher Praxis“, Open Science und Open Access, aber auch rund um die Diskussion um Fake-News aufzeigen.

„Studierende [… sollen nicht nur] nach Literatur recherchieren […] lernen, […] sondern […] verstehen, wie die darin veröffentlichten Ergebnisse zustande kommen.“ (S. 133, OA-Version, S. 13)

Zudem bietet er Anregungen, die Frames selbst in der eigenen Praxis zu nutzen, evtl. auch bei Führungen innerhalb der Bibliothek!? Gerade die Beispiele zu den Frames (S. 133-134, OA-Version, S. 12-14) in dem Aufsatz können dazu dienen, das, was Studierende und Nutzende in der Bibliothek eigentlich machen, – warum sie nach Literatur suchen, warum der Katalog oder Google Scholar dafür vielleicht nicht ausreichen usw. – zu hinterfragen und für uns als in der Bibliothek Arbeitende bewusst zu machen.

In dem Text von Tessa Sauerwein wird erwähnt, dass das Framework „hard to teach“ ist, aber vielleicht bedeutet Lehre hier auch, zu lernen, die Frames für Diskussionen als Anregungen zu nehmen bzw. in Lern- oder Auskunftssituationen auf bestimmte dieser Frames implizit hinzuweisen.

Verschiedenes zum "Wissenschaftlichen Arbeiten"

Zum forschenden Lernen, was auch an der TU Hamburg (TUHH) eine große Rolle spielt, kann durchaus auch das Schreiben und Publizieren von Studierenden gehören, womit das wissenschaftliche Arbeiten explizit thematisiert wird. Seit etwa einem Jahr wurde daher von mir eine Reihe von Beiträgen mit Gedanken und Tipps zum wissenschaftlichen Arbeiten für Lehrende und Betreuende an der TU Hamburg aus Sicht der tub. geschrieben. Diese wurden an der TU Hamburg in einem internen Informationsangebot zum forschenden Lernen, was die Social Networking Software HumHub benutzt, eingestellt und sind, leicht angepasst, in diesem Beitrag hier gesammelt.

1. Wissenschaftliches Arbeiten oder Schreiben?

Bei Diskussionen um das Lernen ist es mir wieder bewusst geworden: Viele sprechen eher vom „Wissenschaftlichen Schreiben“, etwa das Zentrum für Lehre und Lernen der TUHH oder auch im Titel der jährlich im Frühjahr federführend von der zentralen Studienberatung organisierten „Kleinen Nacht des wissenschaftlichen Schreibens an der TUHH“, an der auch die tub. seit Jahren beteiligt ist.

Die TUHH-Bibliothek (tub.) nennt das von ihr federführend durchgeführte NTA-Seminar für Bachelors aber „Wissenschaftliches Arbeiten“. Dieses wird von einem Blog begleitet, als eine Art Schaufenster, damit Seminar-Inhalte auch von Dritten, insbesondere Studierenden, die keinen Seminarplatz erhalten haben, genutzt werden können.

Was unterscheidet die Begriffe „Wissenschaftliches Arbeiten“ und „Wissenschaftliches Schreiben“?

Der Unterschied ist wie so oft eine Frage der Sicht.

  • Aus Bibliothekssicht umfasst der Begriff „Wissenschaftliches Schreiben“ zu wenig, da unser Potential in der tub. tendenziell eher beim Umgang mit Fachinformation, mit Literaturverwaltung und bei der Publikationsberatung liegt und das eigentliche Schreiben eher am Rande vorkommt, wobei Schreiben beim Forschen von Anfang an dazugehören sollte.
  • Aus Sicht von Studierenden und Forschenden fehlen beim Begriff „Wissenschaftliches Arbeiten“, so wie wir ihn in der tub. benutzen, aber oft die Herausforderungen „wirklichen“ Arbeitens, etwa Fragen wissenschaftliche Methodik, das Experimentieren, die Dokumentation und das Laborbuch, statistische Auswertungen und vieles mehr.

Die Autorin Andrea Klein eines schönen Buches mit dem Titel „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben“ (2017, in der Lehrbuchsammlung unter WHN-327) hat sich in ihrem Blog mit dem Unterschied auch noch weiter auseinandergesetzt.

**Wie nehmen Sie den Unterschied zwischen „Wissenschaftlichem Arbeiten“ und „Wissenschaftlichem Schreiben“ wahr?**

2. Zitieren

Zum Zitieren als wichtigem Thema beim wissenschaftlichen Arbeiten gibt es eigentlich nur sehr wenige generelle Tipps.

Aufgrund einer Nachfrage aus dem Promotionsausschuss, ob es denn zum Zitieren eine DIN-Norm gebe, die man Promovierenden empfehlen könne, habe ich vor Jahren eine kurze Handreichung zum Zitieren geschrieben, die 2018 aktualisiert wurde:

BTW:

Eine solche DIN-Norm gibt es übrigens,, dazu aber viele Tausend weitere Zitierstile, je nach Disziplin, Verlag, Zeitschrift oder gar Institut, so dass man von Normung nicht wirklich sprechen kann. Literaturverwaltungs-Software wie Citavi und Zotero unterstützt einen, um Literaturquellen automatisch zu verwalten und um Literaturverzeichnisse automatisch je nach Zitierstil automatisch zu erstellen.

3. Wissenschaftliches Arbeiten in 45 Minuten

Eigentlich geht das nicht: 45 Minuten hatte ich im Dezember 2018 Zeit, um in einem Bachelor-Seminar der Berufswissenschaften für das Thema „Wissenschaftliches Arbeiten“ aus Bibliothekssicht zu sensibilisieren.

Das waren die durch vorheriges Recherchieren zur Verfügbarkeit von Dokumenten und durch Live-Vorführungen aufgegriffenen Themen:

  • Möglichkeiten zum Finden von Fachinformation in Fachdatenbanken
  • Wie kann ich sicherer sein, beim Informieren nichts Wesentliches zu übersehen? (Antwort: „Mit Datenbanken und Suchbegriffen spielen“)
  • Literaturverwaltungsprogramme wie Citavi und Zotero schmackhaft machen:
    • beim Recherchieren nutzen („Keepin‘ found things found“),
    • beim Lesen fürs „Notizen machen“ („Schreiben beginnt schon beim Lesen“) und zur Wissensorganisation des Gelesenen, Erforschten und Gedachten nutzen sowie
    • beim Schreiben mit Office-Programmen mit dem Zitieren und mit Zitierstilen umgehen

Zur Nachbereitung gab es Folien.

4. Plagiate

Immer mal wieder taucht die Frage auf, ob es an Universitäten Tools zum Checken von Dokumenten auf Plagiate gibt.

An der TUHH gibt es die Möglichkeit das kommerzielle System Turnitin unter bestimmten Bedingungen zu nutzen. Zu beachten sind dabei besonders die Vorgaben bezüglich Datenschutz und Urheberrecht. Da die Daten auf Server in den USA hochgeladen werden, dürfen in der Regel keine personenbezogenen Daten von Studierenden übermittelt werden. Die Dokumente dürfen auch nicht auf den Servern gespeichert und für spätere Vergleiche anderer Arbeiten herangezogen werden.

Meine Sicht auf das Thema:

Es sollte primär eigentlich vorrangig nur um das Bewusstmachen der Plagiats-Problematik gehen. Der Nutzen solcher Plagiats-Erkennungsdienste erscheint eher fraglich, vgl. dazu einen von der Schlussfolgerung her wohl immer noch aktuellen Aufsatz von Debora Weber-Wulff und Katrin Köhler aus dem Jahre 2010 (Plagiatserkennungssoftware 2010. IWP – Information Wissenschaft & Praxis, 2011, Heft 4, Seiten 159-166). Hier heisst es am Schluss als Fazit:

„Wir können diese Systeme nicht für den allgemeinen Gebrauch an Hochschulen empfehlen. Die aufgelisteten, teilweise nützlichen Systeme könnten für Situationen verwendet werden, in der eine Lehrkraft misstrauisch geworden ist und Quellen nicht schnell mit einer Suchmaschine finden kann. Aber im allgemeinen gilt: drei bis fünf längere Worte aus einem verdächtigen Absatz in einer Suchmaschine genügen für die Suche nach Quellen, die online zu finden sind!
Stattdessen schlagen wir vor, Studierende gezielt über das Thema Plagiat aufzuklären. Der Schwerpunkt sollte beim Aufklären liegen, was Plagiate sind und wie sie zu vermeiden sind, anstatt sich auf Aufdeckung und Bestrafung zu konzentrieren.“

Hier ein paar weitere interessante Links:

Noch ein paar weitere persönliche Anmerkungen:

Der Umgang mit der Plagiats-Problematik kann von einem eher missionarisch wirkenden Eifer begleitet werden, von dem für mich etwa auch Weber-Wulff nicht ganz frei ist. In einer Welt, die immer mehr der Bibliothek von Babel des Jorge Luis Borges ähnelt, kann aber auch eine gewisse Gelassenheit ein guter Weg sein.

In diesem Zusammenhang gefallen mir besonders Texte eines Kapitels mit dem Titel „Verfassen eines wissenschaftlichen Textes“ aus dem Buch zum wissenschaftlichen Arbeiten von Werner Sesink (Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten. Inklusive E-Learning, Web-Recherche, digitale Präsentation u.a. 9. Aufl. München: Oldenbourg 2012. S. 225–242). Hier heisst es z.B.

„Das Wort Kritik kommt vom altgriechischen krinein = unterscheiden. Bei einer kritischen Aneignung denken Sie sich zwar in die fremden Gedanken hinein, bleiben dabei aber unterschieden vom Autor der fremden Gedanken (bleiben Sie selbst); und Sie unterscheiden zwischen dem, was Sie überzeugt, weshalb es zu Ihrem eigenen Denken werden kann, und dem, was Sie nicht überzeugt und wozu Sie deshalb in Distanz bleiben. So entsteht aus der Aneignung etwas Neues: Ihr eigenes Denken verändert sich (also Sie entwickeln sich); und das Angeeignete verändert sich in der Rezeption durch Sie; es erfährt eine Transformation in eine Form, in der Sie es mit Überzeugung vertreten können.
[…] Sie beziehen beides aufeinander und kommen so zu etwas Neuem, in dem sowohl das angeeignete Fremde als auch Ihr Eigenes in transformierter Gestalt aufgehoben sind.“ (S. 226)

Dann folgen auf den Seiten 235 bis 237 vier Gründe, warum Plagiate „verwerflich“ sind:

  1. aus wissenschaftsimmanenten Gründen
  2. aus pädagogischen Gründen
  3. aus moralischen Gründen
  4. aus rechtlichen Gründen

Diesen Gründen folgt am Schluss eine, wie ich finde, schöne Relativierung:

„Ständig im Leben nehmen Sie die Gedanken anderer auf und verarbeiten Sie. Durch den Verarbeitungsprozess fließen sie ein in Ihr eigenes Denken und Handeln, ohne dass Sie ständig registrieren und festhalten, woher bestimmte Einflüsse denn ursprünglich einmal kamen. Sie könnten gar keine eigenen Gedanken entwickeln ohne die Rezeption der Gedanken anderer. Es ist unmöglich, diese ‚Quellen‘ auch nur annähernd umfassend offen zu legen. Sobald Sie eine überzeugende Argumentation, eine evidente Beweisführung oder eine zwingende Schlussfolgerung übernehmen, werden diese Ihre eigenen Gedanken, weil Sie sie im Nachvollzug selbst hervorgebracht (und nicht nur abgeschrieben oder sich gemerkt) haben. Sie werden im Laufe der Zeit wahrscheinlich sogar vergessen, dass Sie jemals anders gedacht haben. Wenn Sie dann in einer eigenen Arbeit diese Argumentation selbst überzeugt und daher andere überzeugend vorbringen, diesen evidenten Beweis führen oder diese zwingende Schlussfolgerung ziehen, sind dies keine Plagiate. Sollten Sie aber noch wissen, dass Sie von jemand anderem auf diese Gedanken gebracht worden sind, dann wäre es eine Sache der Anerkennung und des Dankes, darauf hinzuweisen.“ (S. 237)

5. Studentische Arbeiten und Urheberrecht

Das Thema Urheberrechte an studentischen Abschlussarbeiten und auch die Frage, wie man diese als Betreuende in der eigenen Arbeit zitieren sollte, stellt wohl immer wieder eine Herausforderung da.

Eigentlich ist auf einer Webseite des Servicebereichs Lehre und Studium am Ende alles gesagt, was es zum Thema Abschlussarbeiten und Schutzrechte zu sagen gibt. Im Text am Ende gibt es auch ein Muster für die Einräumung von Nutzungsrechten an geistigem Eigentum.

In einem aktuellen Beitrag im Blog „Insights – Lehr und Forschung im digitalen Experimentierfeld der TU Hamburg“ habe ich mir von einer Studentin eine ähnliche Erklärung bestätigen lassen, damit ihr schöner Text „Offenheit beim Forschen und Lernen – Ein Geben und Nehmen“ aus dem Bachelor-Seminar Wissenschaftliches Arbeiten von mir dort publiziert werden konnte.

Vielleicht macht es ja auch Sinn, Studierende selbst publizieren zu lassen und sie dabei zu unterstützen.

6. Nachdenken über Wissenschaft

Wann gibt es im Rahmen eines Studiums eigentlich Zeit und Raum dafür, darüber nachzudenken, was Wissenschaft eigentlich ist, wie sie funktioniert, was ihre Kennzeichen sind, was Wissenschaftlichkeit genau bedeutet?

Wolf Wagner, auch Autor des Buches „Uni-Angst und Uni-Bluff heute. Wie studieren und sich nicht verlieren“ (3. Aufl. Berlin: Rotbuch-Verl 2012.), schreibt in einem – allerdings mehr als 20 Jahre alten – Aufsatz (Wagner, Wolf: Wissenschaftliches Arbeiten. In: Handbuch kritische Pädagogik. Hrsg. von Armin Bernhard u. Lutz Rothermel. Weinheim: Dt. Studien-Verl. 1997. S. 425–429), dass der Begriff „Wissenschaftliches Arbeiten“ als doppelte Drohung daherkomme. 😎

Das Wort „Arbeiten“ zeige, dass „es hier nicht um etwas Leichtes, Lustvolles, Spielerisches geht, sondern um Schweres, Anstrengung, Ernst.“ Dabei seien in den Wissenschaften aber durchaus Neugier, Kreativität, „Abenteuer -und Streitlust“ gefragt.

Noch schwieriger wird es beim Wort „wissenschaftlich“, denn „Unwissenschaftliches“ gehöre „angeblich nicht an die Hochschule“. All das hätte also mit „Niveau“ zu tun. „[I]rgendwie [solle man] besser als andere [sein], ohne daß jemals Klarheit bestünde, was genau erfüllt sein muß, um die Forderung zu erfüllen. (Alle obigen Zitate S. 425)

Um dieser doppelten „Bedrohung“ entgegenzuwirken, lohnt es sich also vielleicht doch, über Wissenschaftlichkeit nachzudenken. Zudem kann Wissenschaft vielleicht auch als erlernbares „Handwerk“ angesehen werden. Dazu kommt, dass sich zur Zeit Konzepte und Werkzeuge der wissenschaftlichen Kommunikation verändern. Diese wandeln sich durch die Digitalisierung und sind optimalerweise von Offenheit geprägt. Diese Tendenz zu Themen wie Open Access und Open Science als aktuelle Herausforderung für die Wissenschaften betont auch Fragen von Wissenschaftlichkeit und die Qualität von Wissenschaft.

Wie das Schreiben wissenschaftlich wird, soll Thema eines kommenden Beitrages in dieser Reihe sein. Und natürlich gehört zum wissenschaftlichen Arbeiten mehr als Schreiben.

Hier soll nun aber ein Tool vorgestellt werden, mit dem bewusst gemacht werden kann, dass es unterschiedliche Sichten auf Wissenschaft gibt, ja, dass man eigentlich von Wissenschaften mit ihren unterschiedlichen Sichten, Paradigmen und Methoden sprechen muss.

Mit dem Wissenschaft-O-Maten werden Nutzenden in Form eines Quizes nach und nach Aussagen über Wissenschaft oder Wissenschaften angeboten. Sie werden jeweils gefragt, welcher Aussage über Wissenschaft sie am ehesten zustimmen würden. Am Ende wird ihnen aus den ausgewählten Antworten eine Sicht auf Wissenschaft angeboten, die zu diesen ausgewählten Aussagen am besten passen könnte.

Man kann dieses Tool im Rahmen einer Lehrveranstaltung oder als Selbst-Lern-Werkzeug nutzen, um Lernenden durch das Lesen der Ausagen über Wissenschaft(en) – zu deren Kennzeichen, über wissenschaftliche Tätigkeiten, über Wissenschaftlichkeit und Realität – bewusst zu machen, dass Wissenschaft unterschiedlich erfahren bzw. verschieden wahrgenommen werden kann.

Eine didaktisch-theoretische „Fundierung“ des Wissenschaft-O-Maten bietet vielleicht mein folgender, bisher nur als Preprint publizierte Text mit dem Titel „Wissenschaft und Offenheit : Reflexion über Wissenschaft als Teil der Lehre zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben“ (Nun in: Praxishandbuch Schreiben in der Hochschulbibliothek, herausgegeben von Willy Sühl-Strohmenger und Ladina Tschander. Berlin: De Gruyter, 2019).

7. Was macht Schreiben eigentlich wissenschaftlich?

Schreiben ist für den Philosophen Daniel-Pascal Zorn ein „Labor des Denkens“ (vgl. Einführung in die Philosophie. Frankfurt am Main: Klostermann 2018. S. 111). Mit diesem Bild wird auch für ingenieur- und naturwissenschaftliche Studierende, die ja öfters in Laboren unterwegs sind, das Schreiben vielleicht nähergebracht. Studierende dieser Fachgebiete schreiben vor ihren Abschlussarbeiten zudem in der Regel auch Klausuren und Versuchsprotokolle.

Jede und jeder schreibt, eine SMS, eine Mail oder auch anderes. Aber was macht nun das Schreiben wissenschaftlich? Schreiben beginnt eigentlich schon am Anfang einer jeden wissenschaftlichen Arbeit, etwa beim Exposé oder durch Notizen beim Lesen und Experimentieren (hier vielleicht als Forschungs-Tagebuch oder Laborbuch).

In Anlehnung an Otto Kruse (Lesen und Schreiben. 3. Aufl. Konstanz: UVK, 2018, S. 84) und Helga Esselborn-Krumbiegel (Richtig Wissenschaftlich Schreiben. 3. Aufl. Paderborn: Schöningh, 2014, S. 13) werden hier zur Beantwortung der Frage „Was macht Schreiben wissenschaftlich?“ drei Ebenen unterschieden, eine Fach-Ebene, eine Meta-Ebene und eine Form-Ebene:

Ebenen wissenschaftlichen Schreibens

Die Berücksichtigung aller drei Ebenen machen einen Text zu einem wissenschaftlichen Text.

Fach-liches

  • Einbettung des Textes bzw. des eigenen Schreibens in eine disziplinäre oder interdisziplinäre Systematik des Wissens und der Forschungspositionen
  • Begründetes Vorgehen, methodisch und argumentativ nachvollziehbar (Roter Faden)

Es gibt also eine deutlich erkennbare Fragestellung innerhalb eines Themas oder einer Disziplin. Es wird begründet, warum diese wichtig ist für das Fach bzw. für die Welt.

Es folgt daraus auch, dass eigene Überlegungen und eigene Forschung sowie die Forschung anderer unterscheidbar sind. Verwendete Quellen müssen belegt werden. Es wird klar gezeigt, wie man die Fragestellung beantworten will.

Meta-liches

  • Objektivität: objektive, sachliche Darstellung
  • Kritikgebot: skeptische, kritische Grundhaltung

Subjektive Urteile und Meinungen werden vermieden bzw. klar sichtbar gemacht. Bewertungen von Schreibenden oder innerhalb der benutzten Quellen sind deutlich erkennbar. Kritik wird begründet.

Form-ales

  • Einhaltung von Konventionen der Darstellung: Textgenres, Gliederungen, Zitierstile usw.
  • Sprachliche und terminologische Genauigkeit

Zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben gehört auch eine gewisse Exaktheit, und die fängt schon beim Umgang mit der Literatur an.

(Die letzten Abschnitte zu den drei Ebenen stammen aus einem Beitrag des Blog zum „Wissenschaftlichen Arbeiten“ der tub.)

Reflexion über Wissenschaftlichkeit und epistemische Kompetenz

Angesichts von Diskussionen um Fake-News, angesichts von notwendigen wissenschaftlichen Kompetenzen im Zeitalter eines von wissenschaftlich-technischem Fortschritt und der Digitalisierung geprägten Alltags, erscheint ein Nachdenken darüber, was Wissenschaftlichkeit heutzutage bedeutet, unumgänglich. Auch Themen wie Open Access und Open Science als aktuelle Herausforderung für die Wissenschaften betonen besonders Fragen von Wissenschaftlichkeit und die Qualität von Wissenschaft. Und nicht zuletzt hat eine kritische Wissenschaftlichkeits-Kompetenz als Teil einer ökologischen Kompetenz große Bedeutung für die ökologischen Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft.

Epistemic competence - B. Bußmann und M. Kötter - CC BY NC 4.0

Abbildung aus: Bußmann, Bettina u. Mario Kötter: Between scientism and relativism. epistemic competence as an important aim in science and philosophy education. In: Research in Subject-matter Teaching and Leaning RISTAL 1 (2018). S. 82–101. https://doi.org/10.23770/rt1819 – Hier: S. 95, Fig. 2: Table of Epistemic Competence. CC BY NC 4.0 International License.

Die von Bettina Bußmann und Mario Kötter in ihrem Aufsatz „Between scientism and relativism. epistemic competence as an important aim in science and philosophy education“ (Research in Subject-matter Teaching and Leaning RISTAL 1 (2018). S. 82–101) beschriebene „epistemic competence“ trifft daher meine Vorstellungen, vgl. auch den kurzen deutschen Text „Epistemische Kompetenz – eine transdisziplinäre Aufgabe für Philosophie- und Naturwissenschaftsdidaktik“ von Mario Kötter, der 2018 im Rahmen einer Fachtagung des des Forums für Didaktik der Philosophie und Ethik mit dem Titel „Lebenswelt und Wissenschaft im Philosophie- und Ethikunterricht“ entstanden ist.

Aufmerksam wurde ich auf diesen Aufsatz durch die "Opinion Page" im Februar Newsletter HPS&ST monthly note (Direktlink zur Opinion Page vom Februar), der monatlich Hinweise auf Neuigkeiten zur "History and Philosophy of Science, and Science Teaching" bringt. Die Themen der Opinion Page sind immer wieder sehr interessant.

Eine wie oben beschriebene epistemische Kompetenz ist für mich Teil einer umfassend gemeinten Informationskompetenz – und umgekehrt 😎 -, wie an anderen Stellen schon beschrieben wurde. An diesen wurde der von Ilkka Tuomi beschriebene Begriff der „epistemic literacy“ verwendet (vgl. Tuomi, Ilkka: Epistemic Literacy or a Clash of Clans? A Capability-based View on the Future of Learning and Education. In: European Journal of Education 50 (2015) H. 1. S. 21–24 – OA-Version).

Ein Nachdenken über Wissenschaftlichkeit anregen und damit als Einstieg auch epistemische Kompetenz fördern, ist mit dem Wissenschaft-O-Maten möglich. Dieser wird als Open Educational Resource in einem Blog zum wissenschaftlichen Arbeiten an der TU Hamburg angeboten. Auf einfacher Ebene lassen sich damit unterschiedliche Sichten auf Wissenschaft bewusst machen. Je nach ausgewählten einzelnen Statements über Wissenschaft gibt das Tool aufgrund der Antworten am Ende automatisch diejenige Sicht der Wissenschaft aus, zu denen die Antworten am besten gepasst haben. Das Fragespiel kann danach beliebig wiederholt werden.

Sichten auf Wissenschaft - mit einem H5P-Modul

Werkzeuge und Formate wissenschaftlicher Kommunikation historisch

Mit dem Buch "The Scientific Journal : Authorship and the Politics of Knowledge in the Nineteenth Century" (University of Chicago Press, 2018) zeigt Alex Csiszar, dass die heutigen Formate und Werkzeuge wissenschaftlicher Kommunikation wie Zeitschriften, Zitier-Datenbanken, das Peer Review u.a. eine Geschichte haben und dass deren Entstehen Auswirkungen darauf hatte, wie Wissenschaft funktioniert, von Wissenschaft Treibenden "gelebt" wird sowie wie Wissenschaft von Öffentlichkeit und Politik wahrgenommen wird.

„Formats and genres [of creating and publishing scientific knowledge] have epistemic consequences.“ (S. 3)

Eine Reihe der Aufsätze von Alex Csiszar sind zur Zeit frei zugreifbar:

Die Schriften von Csiszar fügen sich ein in eine Reihe weiterer wissenschaftshistorischer Werke, die zeigen, wie institutionelle Veränderungen der Art, wie Wissenschaft getrieben wurde, etwa in Bezug zu Universitäten oder zu Kommunikationsmitteln, immer auch Auswirkungen darauf haben, wie Ergebnisse von Wissenschaft veröffentlicht werden und welche ethische Sicht auf gute wissenschaftliche Praxis sich ausbildet.

Dies erscheint verwandt zu aktuellen Fragen zur Zukunft von Universitäten und des wissenschaftlichen Wissens. So werden etwa durch die Tendenz zu Offenheit, zu Themen wie Open Access und Open Science, als aktuelle Herausforderung für die Wissenschaften besonders Aspekte von Wissenschaftlichkeit und die Qualität von Wissenschaft betont und kritisch hinterfragt (vgl. zum Letzteren meinen Text: Wissenschaft und Offenheit, Preprint 2018).

Der amerikanische Historiker Chad Wellmon (Organizing enlightenment. Information overload and the invention of the modern research university. Baltimore: Johns Hopkins University Press 2015) betont, dass das Erkennen in der Wissenschaft immer auch mit Ethik, also mit wertorientierten wissenschaftlichen Handlungen, verbunden ist.

„[…] the research university, for which epistemology was always inextricable from ethics“ (S.8)

Gerade die institutionelle Entwicklung der Wissenschaft in Universitäten verbunden mit einer immer stärkeren Ausdifferenzierung der Disziplinen war, wie Wellmon zeigt, eine Antwort auf Fragen, welches Wissen wie legitimiert wird und eine Reaktion auf Entwicklungen des ausufernden Publikationswesens am Ende des 18. Jahrhunderts („information overload“).

Beschreibt Wellmon Herausforderungen an Wissenschaftlichkeit zur Wende zum 19. Jahrhundert, so hinterfragt der Wissenschaftshistoriker Paul Ziche (Wissenschaftslandschaften um 1900. Philosophie, die Wissenschaften und der
nichtreduktive Szientismus. Zürich: Chronos 2008) das Verständnis von Wissenschaftlichkeit am Beginn des 20. Jahrhunderts im Rahmen pluralistischer „offener Wissenschaftslandschaften“, in denen es zu einem pluralistischen, nichtreduktiven Verständnis von Wissenschaft kommt, das nicht in Relativismus abgleitet.

Sichten auf Open Access: Moralische Ökonomie und Grenzobjekt

Der folgende Text erschien erstmals im Blog der Universitätsbibliothek der TU Hamburg am 28.10.2018 im Rahmen der Blog-Reihe zur Open Access Week 2018.

Flaschenöffner an Hauswand mit Bezeichnung
Offenheit, Open Science und Open Access sind in aller Munde. Dieser Beitrag am letzten Tag der Open Access Woche 2018 soll mit Verweisen auf andere Texte bewusster machen, dass sich hinter jedem dieser Begriffe durchaus unterschiedliche Sichten, Akteure und Interessen verbergen. Diese Texte und Sichten auf „Openness“ bieten gleichzeitig vielleicht Anregungen für neue, interessante Gedankengänge zu Open Access. So unterscheiden Pomerantz und Peek (2016) eine Vielzahl an Bedeutungen von „open“, und Fecher und Friese (2014) sprechen von fünf Denkschulen bzgl. „Open Science“.

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Open Access und OER

Im Rahmen eines HOOU Workshop zu „Open Access“ auf der Campus Innovation 2017 (Donnerstag, 23.11.2017) ging es um Fragen nach Schnittstellen und möglichen Synergien zwischen Open Educational Resources (OER) und Open Access. Dies ist ein kurzer Bericht zum Impuls-Vortrag mit dem Titel „Open Access. Bibliothek in Zukunft?! – und was dies mit Open Educational Resources (OER) zu tun hat“ und von der daran anknüpfenden Diskussion.

Die Impulspräsentation begann mit einer Sicht auf „Offenheit in Forschung und Lehre“, die aufgrund der ständig zunehmenden Digitalisierung und deren Einfluss auf die Hochschulbildung und das wissenschaftliche Publizieren sich in den Schlagwörtern „Open Science“ und „Open Education“ manifestiert. In Hamburg illustrieren die laufenden Projekte „Hamburg Open Science“ (HOS) (Bürgerschaft Hamburg Drucksache 21/10485 vom 26.09.2017) und „Hamburg Open Online University“ (HOOU) (Drucksache 21/10426 vom 19.09.2017) diese Schlagwörter.

Das in der Ankündigung zur Impulspräsentation zu findende „Bibliothek in Zukunft?!“ umfasst die Frage der Verortung von Bibliotheken in diesen Open-Szenarien. Die Universitätsbibliothek der TUHH, die tub., versucht in beiden Szenarien aktiv ihre Kompetenz z.B. bzgl. Repositorien, Schnittstellen, eindeutigen Identifikatoren und Metadaten im Bereich Informations-Infrastrukturen einzubringen, vgl. etwa https://openscience.tuhh.de.

Die tub. führte ein Early Bird Projekt im Rahmen der HOOU mit dem Titel „Wie funktioniert eigentlich Forschung?“ durch. Als OER zum Wissenschaftlichen Arbeiten entstand unter anderen Ressourcen ein Weblog, das ein Bachelor-Seminar an der TUHH begleitet.
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Klimabildung und Bildung für Wissenschaft

Beim Lesen des schönen Artikels von Nina Kolleck und Mareike Well mit dem Titel „Mehr Action fürs Klima! Pariser Abkommen: Angesichts mächtiger ‚Klimaskeptiker‘ wie Trump ist es wichtig, die Wissenschaft auch in Schule und Uni weiter zu stärken“ (TAZ. Die Tageszeitung, Freitag, 29. September 2017, S.12) schwankte ich zwischen Phasen von gefühlsmäßig absoluter Zustimmung und grundsätzlicher Kritik, die ich mit diesen Anmerkungen loswerden will. Damit kann der Text vielleicht zur „lebhaften Streitkultur“ (so die Überschrift über dem letzten Absatz des Artikels) beitragen. Selten hat man in Tages- und Wochenzeitungen Texte, die zumindest bei mir so „einschlagen“ und einen zum Anschluss-Denken anregen, wobei dieses auch basiert auf manchen der letzten Beiträge in diesem Blog.

Letztlich fordert der Text mehr Klimabildung, ein Punkt, dem man nur zustimmen kann. Aber: Auch wenn ich selbst eher bildungsorientiert statt kompetenzorientiert denke (vielleicht ist dies aber auch eine Debatte von gestern?!), greift der Begriff Klimabildung für mich zu kurz. Das Klima bildet sich von alleine. 😎 In der gleichen TAZ-Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, war übrigens auch eine Beilage der Umwelt- und Entwicklungsorganisation German Watch enthalten, die vor allem der nachhaltigen Landwirtschaft gewidmet ist. Hier wurde im letzten Text dieser Beilage die „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BnE)“ diskutiert. Das wäre für mich als Begriff wesentlich besser, es sei denn man denkt Klimabildung als Synonym für BnE. BnE ist viel umfassender gedacht, wobei in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN (Sustainable Development Goals, SDGs) das Thema Klimawandel mit enthalten ist.

Die zweite Forderung des Textes, die nach der Stärkung von Wissenschaft in Schule und Universität, ist auch nur zu unterstreichen. Aber: Trotz kritischer Bemerkungen zur „Enttäuschende[n] Wissenschaft“ (auch eine Überschrift im TAZ-Artikel beim dem zweiten Abschnitt des Textes von Kolleck und Well) klingt doch für mich eine zu starke affirmative Bewertung von Wissenschaft durch, die teilweise auch bei den Marches of Science im Frühjahr dieses Jahres zu beobachten war. Es gibt nicht „die“ Wissenschaft, sondern ganz viele Wissenschaften und unterschiedliche Sichtweisen, was Wissenschaft ist und wie diese funktioniert.
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"Cogitamus" in "Kollaboration"

Der Titel dieses Beitrages enthält die Titel der beiden interessantesten Bücher, die ich im letzten halben Jahr gelesen habe. Bruno Latour (Cogitamus. Edition Unseld: Vol. 38. Berlin: Suhrkamp, 2016) beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Politik (Rezension), während Mark Terkessidis (Kollaboration. Berlin: Suhrkamp, 2015) über zeitgemäße Formen der Zusammenarbeit, genauer das Leben von Zusammenarbeit nachdenkt.

Cogitamus

Latours sechs Briefe an eine Studentin umfassen eine Einführung in sein Denken über die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Er rät der Studentin ein „Bordtagebuch“ zu führen, um hier Ereignisse, Beispiele und deren Quellen (z.B. aus Tageszeitungen) festzuhalten, die zeigen, wie sehr wissenschaftliche Ergebnisse Einfluss auf gesellschaftlich-politische Entscheidungen haben und umgekehrt.

„Keine Information ohne Transformation.“ (S. 189)

Meine Lieblingsformulierung von Latour erinnert an meinen Lieblingssatz bei Ernst Bloch. Weiterlesen

Was es heisst, Informationskompetenz kritisch zu sehen

Was heisst es genau, wenn man Informationskompetenz kritisch sieht? Schaut man nämlich genauer hin, lassen sich verschiedene Ebenen und Aspekte unterscheiden, und es gibt ganz verschiedene kritische Sichten auf Informationskompetenz. Auf ein paar von diesen soll hier hingewiesen werden.

Eigentlich wollte ich einen Beitrag schreiben für einen durch die Gemeinsame Kommission Informationskompetenz von VDB und dbv publizierten „Call for Papers: Themenschwerpunkt Informationskompetenz“ zu einem Themenheft der Zeitschrift o-bib. Denn gewünscht wurden „auch durchaus provokative Beiträge […], die neue Impulse in die Diskussion um die Förderung von Informationskompetenz in Deutschland einbringen“. Und weiter heisst es, daß „bereits der Titel aus einer aussagekräftigen These bestehen [kann], die dann im Text ausgeführt wird.“ Toll, Kritik und Kreativität sind also gefragt. Für mich war bei den möglichen Themen, „E-Learning und Gaming, Referenzrahmen und Schwellenkonzepte, IK und Forschungsdaten, Evaluation und Assessment, neue Zielgruppen und Kooperationen, Qualifikationsprofil und Ausbildung, Raumkonzepte, Netzwerke und neue biblio­thekarische Wege“ nichts wirklich Provokatives dabei. Ich bin sehr gespannt auf die Aufsätze des Themenheftes. Aus diversen Gründen schaffte ich es leider nicht, einen formalen Aufsatz zu verfassen, daher dieser Blog-Beitrag, der die Frage der Kritik im Rahmen von Informationskompetenz aufnimmt.

Kritische Sichten

Die Diskussion zu einer kritischen Sicht auf Informationskompetenz (Critical Information Literacy = CIL) nimmt, international gesehen, immer mehr zu. Ein aktuelles Review zur CIL stammt von Eamon Tewell.

CIL ist auch als Teil der sogenannten critlib-Bewegung zu sehen. Hinweise auf Literatur zu dieser bietet eine Zotero-Gruppe dieser Gruppe. Eine ähnliche britische Gruppe nennt sich Radical Librarians Collective. Schon lange bekannt ist die Progressive Librarians Guild, die schon seit Jahrzehnten eine eigene Zeitschrift herausgibt. In Deutschland zählt der Arbeitskreis Kritische Bibliothek zu dieser Bewegung, in Österreich der Arbeitskreis kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (KRIBIBI).

„Kritisch“ als Begriff hat ja nach dem Griechischen ursprünglich etwas mit scheiden, urteilen bzw. auch unterscheiden zu tun (siehe auch meinen Text in der 2. Auflage des Handbuch Informationskompetenz). Auch die Nähe von Kritik zu Information ist deutlich, wenn man an die bekannte Definition von Bateson denkt: „Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht.“ Ein anderer französischer Philosoph schreibt „Informieren heisst Differenzen bestimmen“ (François Châtelet, 1975) Weiterlesen

Nachdenken über Offenheit #OAWeek2016

Nachdem die Open Access Week auch 2016 wieder zu einer Fülle an Blog-Beiträgen bei vielen Bibliotheken geführt hat, etwa bei der TIB, der Bibliothek der Hochschule Hannover oder meiner tub.tuhh, hier Hinweise auf ein paar Texte, die auch Offenheit als solche reflektieren.

Dass Offenheit durchaus als wissenschaftliche Tugend anzusehen ist, behaupte ich in einem Beitrag im Blog zum wissenschaftlichen Arbeiten an der TUHH.

Der französische Philosoph Michel Serres hat dazu in einem auch sonst sehr lesenswerten Vorwort zu seinem zusammen mit Nayla Farouki herausgegebenen "Thesaurus der exakten Wissenschaften" (Frankfurt a.M.: Zweitausendeins, 2001 – Besprechung) zum Aspekt der Bildung durch und mit Wissenschaft geschrieben:

Bildung ist eine gleichermaßen technische, politische und moralische Frage. Umgekehrt betrifft das erste Problem, das die Wissenschaft aufwirft, deren Verbreitung. Wenn finanzkräftige Unternehmen wissenschaftliche Ergebnisse aufkaufen, werden sie aus Eigeninteresse mit Blick auf einen möglichen Verkauf geheim gehalten und nur noch selektiv publiziert. Alles für Profit und Ruhm, ansonsten herrschte Schweigen, Debatten wären ausgeschlossen. Die bezahlte Veröffentlichung liefe der kostenlosen den Rang ab. Das käme einer Regression auf die archaischen Zustände der vorhomerischen Defintion von aletheia gleich, wonach Wahrheit ihr Maß an der Bekanntheit hätte. Wenn man ansieht, in welchem Maß Forschung von der Finanzierung abhängig geworden ist, welche Blüten die Publikationsbesessenheit treibt und wie die reichsten Gruppen Ergebnisse für sich behalten, scheinen wir solch einer Regression gefährlich nahe zu sein. Hier verbietet der berufliche Ehrenkodex eine Geheimhaltung, die auf kurz oder lang die gesamte Wissenschaft zersetzt und zerstört. Die egalitäre Veröffentlichung allen Wissens, die nichts zurückhält und nichts maßlos forciert und in den Vordergrund spielt, wird damit zur sittlichen Pflicht. Wissen muss öffentlich sein, davon ist nicht nur die Wissenschaft betroffen, sondern auch deren ethische Grundlage.
[Hervorhebung T.H.] S. XXXVII – XXXVIII

Zur (eigenen) Geschichte und Gegenwart des Nachdenkens über Wissenschaft in der Hochschulausbildung

Beim Aufräumen meiner Papierberge 😎 bin ich vor einiger Zeit auf einen Leserbrief von mir gestoßen, der im Mai 1983 in der Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ veröffentlicht wurde:

Lernen mit Sinn
In Ihrem Artikel in Nr. 11 432 über die Verteterversammlung des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) kommt eine Widersprüchlichkeit voll zum Ausdruck, die vielen Bildungspolitikern und Pädagogen offenbar immer noch nicht ganz bewußt ist: Einerseits sprach sich der Bundesgeschäftsführer des VBE „dagegen aus, zunehmend gesellschaftliche und politische Probleme in der Schule zu behandeln …“, andererseits sollten Kinder in der Schule „auch Verantwortlichkeit, Kritikfähigkeit und Solidarität“ lernen. Wie aber ist es möglich, diese offensichtlich politischen Ziele zu erreichen, ohne wenigstens einen kleinen Ausschnitt aus der ganzen Problematik unserer Geesellschaft zu entfalten? Richtig dagegen ist meiner Meinung nach, daß sich Lehrer die Zeit nehmen sollten, „nach Grund und Sinn zu fragen, und nicht nur einseitig Fakten weitergeben“. Demnach sollten zum Beispiel in den angeblich politikfreien Naturwissenschaften auch gesellschaftliche Probleme den Unterricht bereichern, etwa durch Behandlung der Umweltproblematik oder Untersuchung der Entstehungsbedingungen der heutigen Naturwissenschaft, die die Natur ausschließlich quantitativ erfaßt und nicht auch qualitativ. Vielleicht kann man damit ‚Dem Lernen einen neuen Sinn geben‘ und die oben erwähnten drei Ziele erreichen.“
Der Tagesspiegel, Berlin, Sonntag, 29. Mai 1983

Für mich ist das Inhaltliche hier noch immer aktuell, und das gilt auch für Hochschulen. Studierende aller Fächer sollten Lehrveranstaltungen besuchen, in denen sich Wissenschaft selbst zum Thema macht, wo also über Wissenschaftlichkeit nachgedacht wird. „Bildung“ als ein Zweck von Wissenschaft (Schummer, Joachim: Wozu Wissenschaft? Neun Antworten auf eine alte Frage. Berlin: Kadmos 2014.) umfasst die Notwendigkeit des Nachdenkens über Wissenschaft auf einer Meta-Ebene, die Reflexion über die eigene Disziplin und deren sozial-gesellschaftliche Einbettung in die moderne Gesellschaft.

Um heutzutage wissenschaftlich begründete Entscheidungen in Alltag (z.B. beim Gesundheitsschutz) und Politik (etwa bzgl. der Umweltproblematik und des Nachhaltigkeits-Imperativs) treffen zu können, müssen Entscheidende, also heutztage eigentlich alle, ein grundlegendes Verständnis des Funktionierens von Wissenschaft haben. Und dies kann auch, zumindest ansatzweise, in Aktivitäten zur Förderung von Informationskompetenz integriert werden, wie ich an anderer Stelle betont habe (hier noch ein Beispiel für eine praktische Auswirkung).
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