ANCIL – eine neue wichtige Abkürzung

Aufmerksam wurde ich auf "A New Curriculum for Information Literacy (ANCIL)" wieder einmal durch Sheila Webber’s Blog. Der von ihr initiierte "Information Literacy Journal Club" diskutierte über ANCIL.

ANCIL ist das Ergebnis eines Projektes an der Cambridge University Library. Federführend waren Jane Secker und Emma Coonan. Die Britin Jane Secker wurde gerade einer der Movers and Shakers 2013 des amerikanischen Library Journal.

Das Projekt wurde schon 2011 beendet, wurde von mir aber bisher nicht wahrgenommen. Auf der Projekt-Homepage von ANCIL finden sich mehrere spannende Dokumente:

Das Executive Summary bietet einen ersten Überblick über die 10 "strands" (Fäden) des Curriculums.

  1. Transition from school to higher education
  2. Becoming an independent learner
  3. Developing academic literacies
  4. Mapping and evaluating the information landscape
  5. Resource discovery in your discipline
  6. Managing information
  7. Ethical dimension of information
  8. Presenting and communicating knowledge
  9. Synthesising information and creating new knowledge
  10. Social dimension of information literacy

Hier und in dem weiteren eher theoretischen Papier von Emma Coonan "Teaching learning: perceptions of information literacy (theoretical background)" wird wirklich über den Tellerrand bibliothekarischer Informationskompetenz geschaut. Hier findet sich auch die folgende schöne Definition von Informationskompetenz:

"… information literacy as a continuum of skills, behaviours, approaches and values that is so deeply entwined with the uses of information as to be a fundamental element of learning, scholarship and research."

Im eigentlichen Curriculum "A new curriculum for information literacy: curriculum and supporting documents" findet man dann eine detaillierte Beschreibung zu Inhalten, Lernzielen, Beispiel-Aktivitäten und Bewertungs-Beispielen zu allen zehn Strängen des Curriculums. Dies wirkt alles sehr praktisch und ist sicher hilfreicher als manche Informationskompetenz-Standards. Enthalten ist in diesem Bericht (S. 17-20) dann auch eine schöne Gegenüberstellung von ANCIL zu den Sconul 7 Pillars, den ACRL Stanadrds und den ANZIIL Standards. Letztere bitte nicht mit ANCIL verwechseln! 😎

Vielleicht kann ANCIL ja helfen, dass eine der sicher teilweise polemischen "Steilen Thesen" mit ernstem Hintergrund von Karsten Schuldt für die Zukunft der Bibliotheks- und Informationsiwssenschaft nicht Wirklichkeit wird:

„In zehn Jahren wird dem Bibliothekswesen klar geworden sein, dass die Behauptungen (a) Informationskompetenz wäre gesellschaftlich wichtig, (b) Informationskompetenz wäre vor allem Recherchefähigkeit und (c) Bibliotheken würden Informationskompetenz fördern, ausserhalb der Bibliotheken kaum ernstgenommen wird. Das Bibliothekswesen wird sich dann zu fragen beginnen, ob These (a) und (b) überhaupt stimmen und sich in diesen Diskussionen verfangen, während die Gesellschaft diese Diskussion weiter ignoriert.“

Zur Zukunft des Reference Service in Bibliotheken

Die englische Bezeichnung dessen, was in deutschen Bibliotheken Information, Auskunft oder auch Auskunfts- oder Informationsdienst genannt wird, umfasste schon immer mehr Service als in Deutschland üblicherweise angeboten wird.

In seinem schönen Beitrag "Preparing to Meet the Future of Reference Service: Leverage Knowledge and Instruction for Tomorrow’s University Library" beschrieb David Michalski, University of California, Davis, 2011 seine Sicht auf die zukünftige Entwicklung.

Hier ein paar, auch aus meiner Sicht programmatische Textausschnitte, die nicht nur auf den Auskunftsdienst zu beziehen sind, sondern auf die gesamte wissenschaftliche Bibliothek, einschliesslich deren Aktivitäten zur Förderung von Informationskompetenz:

"Reference is not an imposition [= lästige Pflicht!]; rather it lays bare what is already integral to the intellectual project of universities. To refer is to provide context, to put into connection, to follow the connection that weaves together social worlds.[…]

The reference librarian thus teaches the archaeology of documents. He or she helps reconstruct how documents come to life, and how they are received in different circumstances. The reference librarian alerts readers to the social life of information by teaching how connections and distinctions take shape within a document’s information network.[…]

… one must get to know one’s patrons by participating in their academic life. Librarians at universities ought to find ways to imagine the social world of students and faculty, perhaps by attending classes and discussing how syllabi are designed. […]

The accelerated instability of disciplinary boundaries challenges the library.[…]

A paradox of transparency has arisen within the contemporary information environment: while the visibility and access to information expands, the social context of information seems to have become less transparent. The same vast, multidisciplinary digital reserves, which make the discovery of information possible has led to a disembodied form of content presentation. Context is harder to perceive. As such it is harder for both the researcher and librarian to re-situate the social location of information. In this environment, the interpretation, evaluation, and translation of sources becomes a crucial factor in the successful research endeavor. As such, universities require the diffusion of new information literacy skills, those appropriate to a changing infoscape.[…]

The separation between librarian skills and academic research skills no longer holds, but this is not disintermediation.[…]

Librarians need to understand the research process. […] This knowledge is best acquired through practice.[…]

Reference and collection development are complementary tasks and ought to be thought about and practiced together.[…]

Wie Discovery-Systeme meine Informationskompetenz-Aktivitäten verändern

Eigentlich mache ich ja immer das gleiche im Bereich der Förderung von Informationskompetenz an der TUHH. Auf eigene Initiative hin oder auch auf Anfrage gebe ich eine 45- bis 60-minütige Präsentation mit Titeln wie "Fachinformation finden" oder "Mehr als Google" (siehe auch einige der Präsentationen bei Slideshare). Mal im Rahmen einer Vorlesung, eines Seminars oder einer projektorientierten Veranstaltung, mal für Mitarbeitende an Instituten, mal als studentische Info-Veranstaltung organisiert von den Fachschaften versuche ich in der zur Verfügung stehenden Zeit ein (kritisches) Bewusstsein für die Informationssuche und das effektive Finden von Informationen zu geben.

Inhaltlicher Gang der Argumentation in der Vergangenheit:

  1. Problematik des Findens von Fachinformation, Orientierung in Nachschlagewerken
  2. Beschreibung des TU-Bestandes und Einführung Katalog-Recherche: Spielen mit der Datenbank-Oberfläche und mit Suchbegriffen: Synonyme, logische Verknüpfungen, Trunkierung, Suchfelder, Phrasensuche usw.
  3. Recherche nach Zeitschriften-Aufsätzen in Fach-Datenbanken: Neue Oberflächen mit neuen/anderen Features hinsichtlich Trunkierung, Verknüpfungen usw.
  4. Wie komme ich an den Volltext?

Nach dem Angebot unseres Discovery-System TUBfind als primärer Sucheinstieg haben sich die obigen Inhalte verändert. Anne Christensen hat in ihren Beitrag "Discovery-Systeme und Informationskompetenz" zur letzten Sitzung der AG Informationskompetenz im GBV eindruckvoll gezeigt, dass die Zugriffe auf Volltexte in Lüneburg seit Einsatz des dortigen Discovery-Systems massiv gestiegen sind, und damit hervorgehoben, dass für Discovery-Systeme die Filter- und Delivery-Funktionen eine besonders große Rolle spielen.

Immer wichtiger erschien es mir im Laufe der Zeit, so etwas wie Kernpunkte der Informationskompetenz (siehe das Ende eines Blog-Beitrages im Vorjahr!) implizit immer mehr mit zu berücksichtigen. Discovery-Systeme ermöglichen es, sich auf diese Kernpunkte mehr zu konzentrieren. Für die TUHH-Bibliothek habe ich dazu auch eine eigene Seite mit dem Titel "Sich informieren – Tipps zum Überleben" konzipiert.

Bei meinen Präsentationen und auch bei Beratung am Serviceplatz Information lege ich mittlerweile gerne den Schwerpunkt auf "Google Scholar". Dies ist ein Beispiel dafür, dass Bibliotheken dort sichtbar sein können, wo ihre Kunden agieren. Dies passt zu Überlegungen aus den Niederlanden, den Katalog von Bibliotheken nicht als den Nabel der Welt zu betrachten. Mein aktueller Beitrag im Blog der TU-Bibliothek greift dies auf.

Dazu eine Anmerkung aus bibliotheksstrategischer Sicht: Trotzdem finde ich natürlich Discovery-Systeme wichtig, und auch der klassische Katalog wird noch längere Zeit seine Existenzberechtigung haben. Beides auch deshalb, damit die Abhängigkeit von externen Diensten nicht zu gross wird und man Kontrolle über die eigenen Daten behält aber auch eigene Kompetenz im Bereich Suchmaschinen sowie Metadaten bzw. Daten allgemein in der Bibliothek hält.

Zum Thema Informationskompetenz gehören für mich auch Diskussionen, wie man Link-Resolver Kunden so anbietet, dass Nutzenden optimalen Nutzen davon haben, eine Diskussion, die Beate Rajski im Netbib-Blog erneut angestoßen hat, siehe auch ihren Beitrag zu Gateways, die zu Bibliotheks-Services führen.

Zum Abschluss mein heutiger inhaltlicher Gang der Argumentation im Rahmen von Präsentationen:

  1. Problematik des Findens von Fachinformation, Orientierung in Nachschlagewerken
  2. Unterscheidung zwischen Discovery-System und klassischer Katalogoberfläche bewusst machen
  3. Wie komme ich an den Volltexte? Google Scholar als Recherche-Instrument mit Unterstützung von Linking-Diensten der Bibliotheken. Mit diesen Link-Resolvern lande ich dann elegant auch in der klassischen Katalog-Oberfläche oder in GBV-Datenbanken mit der Möglichkeit zur Fernleihe!
  4. Recherche nach Zeitschriften-Aufsätzen in Fach-Datenbanken: Spielen mit der Datenbank-Oberfläche und mit Suchbegriffen: Synonyme, logische Verknüpfungen, Trunkierung, Suchfelder, Phrasensuche usw.
  5. Management von Information: Literaturverwaltung

Zum Zusammenhang zwischen Bildung und In-formation(s-kompetenz)

Die Diskussion von Kompetenz und Bildung wird im Bereich der Medienpädagogik besonders im Rahmen der Medienbildung geführt. Auch im Rahmen von Diskussionen, ob es ein spezifisch digitales Denken gibt bzw. inwieweit die digitalen Medien unser Denken und Lernen verändern, wird aus bildungswissenschaftlicher Sicht mit diskutiert, so z.B. von Gabi Reinmann: Digitales Denken – die Sicht der Erziehungs-wissenschaften oder: Freiheit und Zwang im digitalen Zeitalter.

Schaut man nun in ein vor kurzem erschienene Textsammling zum Thema Bildung mit dem Titel "Was ist Bildung? Eine Textanthologie." (Hrsg. Heiner Hastedt, Reclam, 2012), findet man auch hier Anknüpfungspunkte, um Informationskompetenz zu verorten, z.B. über den klassischen Bildungsbegriff hinausgehend im Werk von Michel Foucault, dessen "Sorge um sich" als Teil von Bildung die Selbstbildung und Reflexion betont (S. 15, S. 34ff). Zu dieser gehört eine kritische Funktion von Bildung (S. 39), ausserdem wird die Bedeutsamkeit des Zuhörens und des Schreibens als Aneignungsmethoden hervorgehoben (S. 45).

Im Buch von Sönke Ahrens mit dem Titel "Experiment und Exploration : Bildung als experimentelle Form der Welterschließung" (Bielefeld: transcript, 2011), sind mir weitere Verbindungen zwischen Bildung und Informationskompetenz aufgefallen. Ahrens‘ Buch ist für mich deshalb etwas Besonderes, weil es den seltenen Versuch unternimmt, Naturwissenschaft und Technik mit Bildung über Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte zu verbinden. Ahrens nutzt die Wissenschafts- und Technikforschung sowie die Beschäftigung mit der Geschichte der (Natur-)Wissenschaften, um über Bildung zu reflektieren und den Bildungsbegriff neu zu bestimmen.

Eine weitere Beziehung zwischen Information – oder In-formation, eine Schreibweise, die die Nähe zu Bildung besonders sichtbar macht – und Form ist vom Autor dieses Blogs in einem gerade erschienenden informations- bzw. wissenschaftshistorischen Aufsatz angerissen worden: Wilhelm Ostwald’s Combinatorics as a Link between In-formation and Form (Library Trends 61(2012)2, 286-303.

Für Interessierte hier noch ein paar, etwas längliche Auszüge aus meiner Rezension (Auskunft (32 (2012) 112-119) zu Ahrens‘ Buch:
Weiterlesen

Data information literacy

Das neue HRK-Papier zur Informationskompetenz fordert ihn (S. 16, S.19), den „data librarian“. Forschungsdaten sind ein aktuelles Thema. Bibliotheken bieten immer mehr Stellen im Bereich Datenmanagement auch der eigenen Daten (Metadatenmanagement mit Link-Resolvern, Nutzungsdaten-Management, Publikation von Linked Open Data, Nutzung von Persistent Identifiers für Autoren und Publikationen, Publikationsberatung auch zu Forschungsdaten usw.).

Dass das Thema Daten-Informationskompetenz nicht nur die Kompetenz von Informationsexperten meint, sondern heutzutage für alle wissenschaftlich Forschenden von Belang ist, zeigt das Projekt "Data Information Literacy", an dem unter anderen die Purdue University Libraries beteiligt sind.

Mehr zum Thema Forschungsdaten:

Historisch ist der Data Librarian übrigens in der Chemie früh beschrieben worden:

[Zusatz vom 24.2.2013:]
In einer persönlichen Mail hat mich Anne-Katharina Weilenmann
dankenswerterweise auf weitere sehr interressante Links aufmerksam gemacht:

Discovering – the future library

Eigentlich wollte ich mit diesem Blog-Eintrag nur auf den Open-Access-Artikel von Lorcan Dempsey mit dem Titel "Libraries and the informational future: Some notes" (Information Services and Use 32 (2012) 3-4, 203-214) hinweisen, der nochmals seine Sicht auf die zukünftige Entwicklung von Bibliotheken zusammenfasst. Eine dazu passende Präsentation eines vor kurzem gehaltenen Vortrages von Lorcan Dempsey findet man bei Slideshare.

Erst kurz vor Weihnachten hatte Anne Christensen schon auf einen weiteren Artikel von Lorcan Dempsey hingewiesen, zum Thema Discovery-Systeme. Und nun gibt es in Annes Blog einen weiteren Beitrag zum Thema: "8 hypotheses why librarians don’t like discovery".

Meine nach obigem fast auf der Hand liegenden These: Das Nachdenken über die Vor- und Nachteile von Discovery-Systemen hat viel zu tun mit dem Nachdenken über das Selbstverständnis und die zukünftige Entwicklung von Bibliotheken.

Nachdenken über Aufklärung

Relativ zufällig besuchte ich am 30. Januar einen Vortrag von Manfred Geier über das Thema "Anleitung zum Selbstdenken. Über Aufklärung in hochschulpädagogischer Hinsicht" im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung, die Teil eines Symposiums „Studium Generale – Netzwerk Nord“ an der Leuphana Universität Lüneburg war. Das "Studium Generale – Netzwerk Nord" ist ein Forum für den Informations- und Erfahrungsaustausch, an dem auch die TU Hamburg-Harburg beteiligt ist. Ziel des Netzwerks Nord ist die Förderung fachübergreifender Studienangebote. Es hat sogar ein eigenes Leitbild zum "Studium Generale" entwickelt.

Der anregende Vortrag von Manfred Geier bot eine Übersicht zur Geschichte der Aufklärung, bei der besonders John Locke, Immanuel Kant, Johann Georg Hamann und Wilhelm von Humboldt berücksichtigt wurden.

Kernpunkt der Ausführungen war die Bewusstmachung einer Dialektik der Aufklärung im Sinne des Spannungsverhältnisses zwischen Anleitung und Lernen bzw. zwischen Anleitung zum Denken und Selbstdenken, letztendlich zwischen einem wie immer gearteten Zwang und der individuellen Freiheit.

Im Rahmen der abschliessenden Diskussion wurde die Frage nach der heutigen Stoßrichtung von Aufklärung im Sinne von Emanzipation gestellt. Angesichts der modernen Situation sei zumindest in den Industrieländern Freiheit eher nicht das Thema und massenhaft Wissen über die neuen Medien vorhanden, so dass heutzutage eher Konzentration, Selektivität und Bewertung notwendig sind. Hier war man dann ganz nah beim Thema Medien- und Informationskompetenz im Sinne der Aufklärung, über deren Stellenwert in diesem Zusammenhang man sicher nochmals gründlich nachdenken muss.

Daran anknüpfend wäre es für mich an dieser Stelle auch reizvoll gewesen, die andere "Dialektik der Aufklärung", die von Theodor Adorno und Max Horkheimer, in die Überlegungen mit einzubeziehen.

Und noch ein Aspekt, der mir aufgefallen ist: Man sollte die Aufklärung auch als Teil eines spezifisch europäischen Denkens ansehen und dies in Beziehung setzen zum Denken in anderen Kulturen. Gerade für die heutige Welt ist dies ein wichtiges Thema, das aber noch wichtiger werden wird.

Fachübergreifendes Lernen im Studium Generale sollte daher neben fachkulturen-übergreifenden Aspekten auch kulturenübergreifendes Denken, Reflexion über Interkulturalität als Teil des Studium Generale ansehen. Interkulturelle Kompetenzen, die ja viel gefordert werden, würden sicher auch das Leitbild zum Studium Generale explizit sehr gut ergänzen.

Neue englischsprachige Artikel zur Informationskompetenz

"Human IT", Zeitschrift des schwedischen ITH, Centre for Information Technology Studies as a Human Science and Center for Collaborative Innovation at the University College of Borås, bringt ein Sonderheft zu Information Literacy. Neben der Einleitung erscheint mir besonders dieser Aufsatz interessant:

Dieser fesselnde Vergleich dreier theoretischer Ansätze zur Information Literacy und deren praktische Auswirkungen macht deutlich, dass es Sinn macht, den Begriff eher im Plural, Information Literacies, zu nutzen.

Beim neuesten Heft der Zeitschrift "Communications in Information Literacy" interessieren mich folgende Aufsätze, der erste eher praktisch orientiert, der andere wieder theoretischer:

Zuletzt noch ein Hinweis auf die neueste Ausgabe des "Journal of Information Literacy (JIL)", der Zeitschrift der britischen CILIP Information Literacy Group u.a. mit diesen Beiträgen:

Das Nachdenken über die Auswirkungen mobiler technische Anwendungen wie Smartphones und TouchPads auf das Thema Informationskompetenz hat erst begonnen.

New roles for new times

Die amerikanische Association of Research Libraries (ARL) hat im Dezember in der Reihe "New roles for new times" einen Report "Research Library Services for Graduate Students", geschrieben von Lucinda Covert-Vail und Scott Collard, herausgebracht.

Er fasst relativ knapp für mich nochmals die Herausforderungsbereiche moderner Bibliotheksentwicklung zusammen:

  • Dienstleistungen zielgruppengerecht segmentieren,
  • neue physische (und mentale 😎 – hier wäre das neu gegründete Open Science Lab der TIB Hannover ein Beispiel!) Räume schaffen bzw. für vorhandene Räume neue Möglichkeiten ausprobieren,
  • neue Partnerschaften eingehen
    (bzw. alte wiederaufleben lassen – meinem Empfinden nach fehlt es auf dem Universitätscampus oft an einer Koordination zu Themenbereichen, die diverse Dienstleistungsbereiche wie Bibliothek, Rechenzentrum, Studierenden-Service, Didaktisches Zentrum usw. betreffen) und
  • Organisationsstrukturen (behutsam!) verändern bzw. anpassen.

Besonders interessant finde ich hinsichtlich des ersten obigen Punktes die Orientierung von Services am akademischen Life-Cycle:

  • Reader and learner—trying to become acquainted with a field and its literature
  • Teacher or “becoming teacher”—learning to apply pedagogy to deliver course content
  • Researcher—collecting data in field sites or through available resources
  • Analyzer and synthesizer—processing and analyzing data collected
  • Writer—learning how to stay motivated, finding the space and mutual support from others
  • Proto-author—orienting towards publishing, copyright, and scholarly communications
  • Archiver—depositing data or final products into library (or other) repositories
  • Job hunter—taking the next academic or professional step

(S. 9-10)

Daeumlinge, Partisanen und Sammler

Dies sind wir doch alle irgendwie! 😎

Däumlinge ist die Übersetzung des Titel eines neuen Buches des französischen Philosophen und Wissenschaftshistorikers Michel Serres, das es leider nur auf Französisch gibt und dass ich gern mal lesen würde. Mal schauen, wann und ob es auf Deutsch herauskommt. "Petite Poucette" (Éditions Le Pommier 2012) sind für Serres diejenigen, die mit den Daumen ihr Mobiltelfon bedienen und damit aus seiner Sicht die Welt verändern! Zwei der wenigen deutschen Beiträge zum Buch sind von Silke Bartel und Jürgen Kuri, der auf einen FAZ-Beitrag vom Mai letzten Jahres über Serres hinweist.

"Der Leser als Partisan" heisst der frei verfügbare Aufsatz von Philipp Felsch im aktuellen Themenheft "Droge Theorie" der Zeitschrift für Ideengeschichte. Hier geht es hauptsächlich um das theoriebeladene Publikationsprogramm des Berliner Merve-Verlages.

Und wer noch mehr Theorie mag, findet in der Zeitschrift Denkströme, dem Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften in Leipzig, in Heft 8 (2012) zwei Aufsätze zum Sammeln, zu Sammlungen, Wissenschaft und Bibliotheken:

Zur Geschichte, Theorie und Praxis von Bibliothekskatalogen

Diese gelungene Mischung an Aufsätzen zu Geschichte, Theorie und Praxis von Bibliothekskatalogen und Discovery-Systemen ist zur Zeit frei verfügbar auf der Website der Zeitschrift Library Trends.

Passend dazu der Aufsatz "Der Katalog : Repräsentation von Medien als Geschichte des Denkens über Wissen, Information, Medien, Nutzerinnen und Nutzern" von Karsten Schuldt in der aktuellen Ausgabe "Bilder, Graphen, Visualisierungen" der Zeitschrift Libreas.

Auf dem Weg zur informationskompetenten Hochschule – die HRK zum Thema Informationskompetenz

Auf der 13. Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz am 20.11.2012 wurde eine Empfehlung mit dem Titel "Hochschule im digitalen Zeitalter: Informationskompetenz neu begreifen – Prozesse anders steuern" verabschiedet. 6 Jahre nach dem Papier von den Briten Sheila Webber und Bill Johnston "Working towards the information literate university" (vgl. auch diesen Blog-Betrag von Sheila Webber von 2008) ist das Thema "Informationskompetente Hochschule" nun auch in Deutschland Mainstream.

Informationskompetenz wird hier endlich auch auf politischer Ebene viel umfassender und ganzheitlicher gesehen, als es von uns in Bibliotheken Arbeitenden in der Regel bisher verstanden und praktiziert wurde. Dies ist unbedingt zu begrüßen. Für ein deutsches Papier zur Informationskompetenz halte ich daher besonders das folgende Zitat für bemerkenswert:

"Informationskompetenz führt demnach unterschiedliche Teilfertigkeiten zusammen, von denen insbesondere zu nennen sind:

  • eine technische Kompetenz, d. h. ein für die Anwendung verschiedener Informations- und Kommunikationsmedien erforderliches technisches Wissen (als Weiterführung der sog.
    computer literacy),
  • eine kommunikative Kompetenz, d. h. ein Wissen um die Verfügbarkeit und Funktion der digitalen Kommunikationsmedien,
  • eine soziale und organisationsbezogene Kompetenz sowie
  • eine disziplinenspezifische Kompetenz, d. h. ein Wissen um die
    Besonderheiten unterschiedlicher Wissenschaftskulturen." (S. 6)

Folgende Punkte erscheinen mir nach erster Durchsicht der Empfehlung als besonders wichtig:

  • Neben der Informationskompetenz von Studierenden wird auch diejenige der Lehrenden in ihrer Bedeutung hervorgehoben. (S. 11f)
  • Der "Aspekt der ‚Informationsverantwortung‘ [wird] als Teil der Informationskompetenz mitgedacht." (S. 6)
  • Informationskompetenz im Bereich der Forschung wird als wichtig betont. "Stichworte seien die fortschreitende Digitalisierung von Texten und Objekten, das Elektronische Publizieren und Open Access, Virtuelle Forschungsumgebungen, Forschungsdaten und Langzeitarchivierung." (S. 12)
  • Auch für die Hochschulleitungen ist das Thema von Bedeutung. Es geht hier in Richtung Informationsmanagement wenn nicht gar Wissensmanagement. (S. 13ff)
  • Dass die "Lehrangebote zur Vermittlung von Informationskompetenz […] stärker als bisher curricular verankert und möglichst flächendeckend angeboten werden" (S. 18) sollten, ist natürlich ein alter Hut. Trotzdem ist es gut, dass dies hier nochmals betont wird. Schade ist es aber, dass an manchen Stellen in der Empfehlung weiterhin von "Vermittlung von Informationskompetenz" statt von "Förderung von Informationskompetenz" (vgl. diesen Beitrag von Karsten Schuldt) gesprochen wird.

[Nachtrag 10.12.2012:]
Zwei kritische Stellungnahmen zum Papier von Mandy Rohs und Hans-Christoph Hobohm. Auf letzteren Beitrag hat Jürgen Plieninger hingewiesen.

Learning everywhere

Mehr als zwei Monate keinen Blog-Beitrag hier, das ist mir lange nicht passiert. Ich komme immer weniger dazu, hier etwas zu schreiben, versuche aber wenigstens Twitter ab und zu zu nutzen.

„Learning everywhere“ war der Titel eines Vortrages, den Michael Stephens am 26.10.2012 an der TU Hamburg-Harburg gehalten hat.

Meine Einführung zu diesem Vortrag dokumentiere ich hier mit den inhaltlichen Passagen nach der Begrüßung und dem Dank an die Beteiligten:

Welcome for Michael Stephens

Hello all together. […] I have the honour to cordially welcome you all and especially Mr. Michael Stephens, Assistant Professor at the School of Library and Information Science of the San Jose State University in California who will talk this evening about the topic “Learning Everywhere. Transformative Libraries & Services“.

[…] Welcome friends of the TUHH library, a word I can use here also in the sense it is used in Facebook. […] Let me also mention at this point that this event is part of the national promotion week ‘Meeting Point Library’ starting this week on Wednesday October 24, the day of libraries in Germany.

Thinking about the future of the library has been an ongoing task in the life of the TU library. And this is true also for my own professional life. As a small university library from its beginning the TU library has tried to be innovative. Many of my colleagues in the library have been very busy to stimulate innovation processes since years.

One technical result of today is our discovery system and catalog VuFind, we call it now TUBfind. Another is our new website which integrates TUBfind as well as our weblog using the open-source blog software WordPress: I want also to mention here the use of RFID technology in our library. As I do today all the colleagues in the TU library learn something new every day what means being innovative for yourself.

We will hear a talk by Michael about the future of learning and the role the library in this process of learning. In times when literacy can be defined as “engaging with information in all of its modalities” [this citation from O’Farrill, Ruben Toledano: Information literacy and knowledge management. Preparations for an arranged marriage. In: Libri 58 (2008). p. 155–171, especially p. 167] and when literacy can be viewed as a social activity, libraries play their roles as learning facilitators, promoters of an information culture which should be rich and comprehensive, multifaceted and consciously experienced. The last point, a consciously experienced information culture is the aim of those activities in libraries concerning media and information literacy. Playing and networking are important so-called new media literacies. Also mobile learning, one of the topics of Michael, is really an issue here! The information culture you find in and through libraries is an important complement to the monoculture spread by Google or Facebook.

Let us now learn from Michael Stevens!

In diesem sehr inspirierenden Vortrag, dessen Folien auch im Netz sind und bei dem man nicht merkte, dass nach 60 Minuten knapp 150 Folien gezeigt wurden, war für mich besonders der Hinweis auf das Konzept des Transformative Learning im Rahmen der Erwachsenenbildung von Jack Mezirow spannend. Der aus meiner Sicht wichtigste Satz auf die Bibliotheken bezogen lautete: "Willing to leave out our physical walls".

Mehr von Michael Stephens:

Am meisten lernt man ja auch , wenn man selbst eine Präsentation vorzubereiten hat. Seit August habe ich zwei Präsentationen gegeben, je eine zu den beiden Themen, die mich schwerpunktmäßig interessieren:

"Comunicar – Scientific Journal of Media Education"

"Comunicar – Scientific Journal of Media Education" ist eine in englischer und spanischer Sprache erscheinende, zur Zeit anscheinend online frei zugängliche Zeitschrift zum Thema Medienbildung. Das aktuelle Heft (Vol. XIX, nº 38, 1st semester, march 2012) hat das Thema "Media Literacy in Multiple Contexts".

Besonders interessant finde ich den Aufsatz "From Solid to Liquid: New Literacies to the Cultural Changes of Web 2.0" von Manuel Area Moreira und Maria Teresa Ribeiro Pessoa, durch den ich auch auf die Zeitschrift gestoßen worden bin. Erwähnt werden hier eine Reihe von Kompetenzen, die aus Sicht der Autoren nötig für das Web 2.0 sind. Unter der hier auf Seite 15 in der Box gegebenen Definition von Literacy ist Information literacy ein wichtiger Teil.

Literacy must be a process of development of an identity as a subject operating within the digital territory, characterized by the appropriation of intellectual, social and ethical competences that enable him to interact with information and transform it in a critical and emancipating form. The goal of literacy is to develop each subject’s ability to act and participate in an independent, cultured and critical way in cyberspace. This is an essential universal right of all citizens of the information society.

Weitere interessante Titel von Aufsätzen in dem Themenheft sind "Critical Media Literacy after the Media", "Media Education, Media Literacy and Digital Competence" u.a. Spannend ist es durch die Zweisprachigkeit, dass man so auch etwas aus dem spanischen Kulturkreis zum Thema mitbekommt, wenn man nur Englisch und kein Spanisch verstehen kann.

Technisch positiv auffällig an der Zeitschrift ist auch, dass alle Artikel neben dem pdf-Format auch im epub-Format angeboten werden. Immer öfter werde ich bei Informationskompetenz-Aktivitäten von Studierenden gefragt, was ich meine, wenn ich von eBooks von Verlagen wie Wiley, Springer, de Gruyter usw. rede. Ich muss dann immer betonen, dass dies eigentlich gedruckte Bücher sind, die kapitelweise im pdf-Format angeboten werden. Wissenschaftsverlage müssen hier aus meiner Sicht umdenken, damit auch die Nutzenden von eBook-Readern, Pads usw. die Inhalte sinnvoll nutzen können. Das Angebot von epub-Dateien als Alternative geht hier in die richtige Richtung.

Internationales zur Informationskompetenz

In Moskau fand Ende Juni eine "International Conference on Media and Information Literacy for Knowledge Societies" u.a. organisiert von UNESCO und IFLA statt (Präsentationen und Bilder), auf der auch "The Moscow Declaration on Media and Information Literacy" verabschiedet wurde.

Schon Ende letzten Jahres wurden von der IFLA Media and Information Literacy Recommendations verabschiedet.

Im nächsten Jahr findet vom 22. bis 25. Oktober 2013 in Istanbul in der Türkei die European Conference on Information Literacy (ECIL) statt. Der First Call for Papers ist erschienen.