Den Zusammenhang von Informationskompetenz und Kreativität habe ich ja hier schon mal erwähnt. So hat auch das Thema Zugang bzw. Open Access etwas mit Innovation und Kreativität zu tun, wie es etwas die "Charter for Innovation, Creativity and Access to Knowledge : Citizens’ and artists’ human rights in the digital age" betont!
Im Rahmen von Vorbereitungen für einen Innovationsprozess, an dem ich beruflich beteiligt bin, habe ich im Buch „Systemisches Innovations- und Kompetenzmanagement : Grundlagen – Prozesse – Perspektiven / von Gustav Bergmann, Jürgen Daub (2. Aufl. Wiesbaden : Gabler Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2008)“ gestöbert und hier manches Interessante gefunden, was das Thema Informationskompetenz aus einer leicht veränderten Sicht beleuchtet. Kompetenzentwicklung wird hier als "Fähigkeit zur Selbstentdeckung und -erprobung" (S. 75) beschrieben.
Kompetenzen können nicht absolut und kontextneutral einer Person zugeordnet werden, sondern entwickeln sich in den jeweiligen sozialen Feldern interaktiv. (S.74)
Und weiter:
Kompetenzentwicklung entsteht aus der Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt. Es ist die Suche nach Lösungen aus dem Repertoire der vorhandenen Muster des Gelernten, wobei je nach Kompetenzgrad neue Verknüpfungen von Mustern entstehen. Kompetenzentwicklung kann man daher als die Konstruktion neuer Lösungsmuster bezeichnen. Dabei benötigt der "Kompetenzentwickler" seine Umwelt als Anregung für seinen Entwicklungsprozess. Dieser Entwicklungsprozess verläuft allerdings auf der Grundlage seiner Konstruktionen, seiner Realität, also auf zuvor Gelerntem. (S. 90)
Einen solchen Kompetenzbegriff kann man sicher nur schwer mit Standards beschreiben. Vom Kontext losgelöste Informationskompetenzaktivitäten bringen weniger!
Auch die Teile des Buches zum Zusammenhang zwischen Information und Wissen habe ich mit Gewinn gelesen, z.B. dieses Zitat:
Vom Individuum mit speziellem Vorwissen, der jeweiligen Situation, der Intelligenz und Persönlichkeit usw. hängt es ab, wie die Information aufgenommen wird und welche Bedeutung sie hat – also welchen Unterschied sie macht, um damit neue Strukturen zu schaffen ("in Form bringt"). (S. 81)
Hier folgt noch eine schöner Satz, der z.B. auch die Problematik notwendiger Veränderungsprozesse in Bibliotheken beschreibt:
Weil allerdings durch ein aktives Innovationsverhalten bestehende Strukturen und Prozesse in Frage gestellt, lieb gewordene Privilegien bedroht und eigene Kompetenzen entwertet werden, begrenzt man sich meistens auf die Optimierung des Bestehenden. (S. 50)
Auf Seite 165 habe ich dann noch den schönen Begriff der Inkompetenzkompensationskompetenz gefunden. Die Vielfalt der Anforderungen im modernen Bibliotheksalltag können einzelne Personen heute nur mit dieser Metakompetenz sowie mit Hilfe eines guten Teams und einer aktiven Community bewältigen. Man muss bereit sein, Nichtwissen und Inkompetenz zuzugeben und sich Rat von anderen holen.
Zu Metakompetenzen, sicher ein Ziel jeder wirklichen Bildung, findet sich noch folgender Absatz:
Eine Kompetenz entsteht dann relational aus der Zuordnung dieser Fähigkeiten zu einem Akteur durch das soziale Umfeld. Eine Kernkompetenz wäre in diesem Zusammenhang eine herausragende Fähigkeit. Als universelle Kategorie kann es bis zur Metakompetenz, also einer Kontext unabhängigen Problemlösfähigkeit gehen, […] Metakompetenz äußert sich in einer in sich stimmigen Außenwahrnehmung eines Akteurs oder eines Systems. Der metakompetente Akteur kann sich auf sehr unterschiedliche Kontexte sehr effektiv einstellen und verliert dabei seine einzigartige Identität und Fähigkeit nicht. Metakompetenzen kann man insofern als absolute, nicht mehr relationale Kompetenz beschreiben. (S. 148)