Inkludisten und Exkludisten beim Bibliothekskatalog

Schon vor Jahren hat mich die Frage der Zukunft des lokalen Bibliothekskataloges beschäftigt. In einer Arbeitssitzung der Benutzungsabteilung der TUHH-Bibliothek gab es vor kurzem eine spannende Diskusision zur Frage nach dem Inhalt eines lokalen Bibliothekskataloges. Anlass war die Frage, ob die TUHH-Bibliothek in ihrem Bibliothekskatalog weiterhin nur eine Auswahl der freien Zeitschriften der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) verzeichnen solle oder ob alle freien Zeitschriften aller Fachgebiete im Katalog nachgewiesen sind. Edlef Stabenau hat dabei auf eine ähnliche Diskussion im Rahmen der Wikipedia hingewiesen und hier unterschieden zwischen Inkludisten und Exkludisten. Edlef hat sich via Twitter so geäussert: „Wenn es um Kataloge geht, bin ich eher Inkludist.“

Worum geht es? Dazu hier ein Zitat aus einem Beitrag im Blog Im Himmelgrau (mehr dort!):

Die Exkludisten wollen den Wert und den Nutzen der Wikipedia steigern, indem sie auf Qualität und Ausschluss setzen. Sie wollen die Wikipedia im wahrsten Sinne zu einem exklusiven Gut machen.

Die Inkludisten wollen stattdessen durch möglichst viel Informationsfülle und Wachstum überzeugen. Masse statt Klasse, ist der Vorwurf.

Was bedeutet diese Diskussion nun für den lokalen Bibliothekskatalog?

Bei der Diskussion, die hier nur angerissen werden kann, geht es um Fragen der Relevanz und Qualität, des Umfanges der Indexierung, der Nutzer-Oberfläche von Katalogen, ja auch nach der Frage des Selbstverständnisses von Bibliotheken in der Zukunft.

Lokal ist für den Bibliothekskatalog zu entscheiden, welche Quellen in diesem verzeichnet werden und z.B. auch in welcher Form der Indexierung (Volltext-Indexierung wäre ja auch möglich!). Wie weit will man seinen lokalen Katalog mit freien Quellen und anderen Volltexten „zuschütten“? Welche freien Inhalte, welche Teile von Kataloganreicherungen, ganzen Volltexte usw. von welchen Kollektionen sollen angeboten und indexiert werden? Es wäre durchaus auch sinnvoll, die Metadaten von Aufsätzen aus Zeitschriften, die z.B. über die DFG-Nationallizenzen zur Verfügung stehen, in den lokalen Bibliothekskatalog zu integrieren.

Was interessiert den Nutzenden eines (lokalen) Bibliothekskatalogs? Sind Nutzende eher an der lokalen Verfügbarkeit interessiert, dies spräche eher für eine eher inkludistische Sicht, oder erwarten diese auch so etwas wie eine inhaltliche Relevanz, so dass z.B. in einem Katalog einer technischen Universität geisteswissenschaftliche Quellen eher nicht erwartet werden? Anderseits werden Inter- und Transdisziplinität immer wichtiger!?

Je mehr Quellen man im Katalog nachweisen will, um so mehr steigt bei einer Recherche die Flut an Informationen, die man angeboten bekommt. Schon heute werden aufgrund von gekauften E-Books bei einer Recherche z.B. Bibliothekskatalog der TUHH bei manchen Suchbegriffen am Anfang fast nur noch E-Books angezeigt, ohne dass dem Nutzenden eine schnelle Möglichkeit der Einschränkung (z.B. E-Book bzw. Print-Werke) angeboten wird. Im TUHH-Katalog leistet dies die Trefferanalyse, deren Angebot aber von Kunden sicher selten wahrgenommen wird. Versuchen Sie mal schnell im TUHH-Katalog ein Lehrbuch oder anderen einführenden englischen Text zur Biochemistry zu finden.

Es muss ein Kompromiss gesucht werden, der durchaus lokal und regional unterschiedlich sein wird, den Nutzenden einerseits nicht in der Informationsflut allein zu lassen (wie z.B. zur Zeit bei der Google-Buchsuche) und ihm Hilfestellung anzubieten, ohne die Komplexität beim Suchen noch weiter zu erhöhen. Riesige Treffermengen, die durch die Integration von freien Quellen und/oder Volltext-Indexierung zu erwarten sind, können durch adäquate Drill-Down-Möglichkeiten (wie im WorldCat oder auch im Prototyp von Beluga – vgl. auch den Beluga-Blog – angeboten) bewältigt werden.

Bei der Konzeption und Planung von modernen Informationssystemen zur Recherche von Beständen von Bibliotheken (Was sind Bibliotheksbestände nun aber heutzutage ganz genau? Eigentlich gehören die in Bibliotheken Arbeitenden auch dazu und müssten im Bibliothekskatalog nachgewiesen werden! 😎 ) müssen neben Aspekten der Auswahl und der Bestandsentwicklung, die immer mehr ein Lizenzmanagement ist, sowie neben Aspekten der Indexierung bzw. theoretischen (FRBR) und praktischen Erschliessung durch Bibliotheken auch Aspekte zur Gestaltung von Oberflächen, zur Datenstrukturierung (XML, Kategorien) und zur theoretischen und praktischen Nutzerforschung und -erfahrung beachtet werden.

Auch Inkludisten sind aus meiner Sicht irgendwann Exkludisten, sonst wäre jeder lokale Bibliothekskatalog irgendwann nur noch ein Abbild von Google. Ich bin z.B. für die jetzige Katalog-Oberfläche des TUHH-Katalogs eher ein Exkludist, würde mich aber bei der Verfügbarkeit von Oberflächen wie von Beluga oder dem Bremer E-Lib zum „besonnenen“ Inkludisten wandeln. Aber wo ist die genaue Grenze? Welche Kriterien würden bei Ihnen eine Rolle spielen?

2 Gedanken zu „Inkludisten und Exkludisten beim Bibliothekskatalog

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