So lautete der Titel einer Diskussionsveranstaltung der AG Informationskompetenz im GBV im Rahmen der 12. Verbundkonferenz des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (#gbvvk10). [Ergänzt 16.9.2010:] Eine ausführlicheren Bericht von der Diskussion bietet Dörte Böhner in ihrem Blog!
Kurze Eingangs-Statements von Lambert Heller und mir bildeten die Grundlage für eine gut 60-minütige Diskussion unter den mehr als 40 Teilnehmenden.
Meine Eingangs-Präsentation begann mit dem Hinweis auf ein Netbib-Posting, nutzte einige Folien meines Beitrages Nachdenken über Informationskompetenz auf dem Bibcamp 2010 in Hannover und fragte: Wie zeitgemäß ist Ihre Lehr-/Lernsituation im Bereich Informationskompetenz (IK)? Sehen Sie auch die Gefahr eines „Information literacy fatigue syndrome“, wie es ein Kollege beim Bibliothekskongress in Leipzig ausdrückte? Wie zeitgemäß ist das Konzept Informationskompetenz noch?
Die für die Suche in vielen Bibliotheks-Katalogen notwendigen Kenntnisse, um z.B. einen Buchtitel wie „Wir sind doch nicht blöd“ zu finden, wollen und müssen Nutzende eigentlich nicht erwerben, wie moderne, sogenante Web-2.0-Kataloge wie der KUG, beluga oder TUBfind zeigen. Das hier angesprochene „Was?“ der Förderung von Informationskompetenz ist laufend zu diskutieren und aktuell zu halten. Der betreffende Buchtitel stellt aber gleichzeitig die Frage nach dem „Wie?“ und dem Verhältnis von Bibliotheken und Nutzenden im Rahmen einer Förderung von Informationskompetenz, die ja auch schon von Lambert aufgeworfen wurde.
Lambert plädierte für ein verändertes Bibliotheksmarketing, in dem alle in Bibliotheken Arbeitenden ihre eigene Arbeit und die damit verbundenen Herausforderungen öffentlich (z.B. in Blogs) darstellen und wirklich selbst Erfahrungen im Web 2.0 sammeln. So wäre es möglich, durch Authentizität, Aufbau von Reputation und Nähe zur jeweiligen Community die Entwicklung von Informationskompetenz bei potentiellen Mitgliedern dieser Communities zu fördern, ohne pädagogischen Duktus und in informellem Rahmen. Gleichzeitig würde dadurch dann auch die Einrichtung Bibliothek an Reputation gewinnen.
Hier einige Aspekte und Fragen aus der folgenden Diskussion, die bei mir hängen geblieben sind (Leider habe ich nur bei ein paar Statements noch behalten, von wem diese kamen!)::
- Unterrichten oder durchleiden lassen (Tobias Buck) – dies ist die zu diskutierende Alternative für IK-Förderung. Wie kann Überblickswissen vermittelt werden und gleichzeitig, das eigene Tun der Nutzenden berücksichtigt werden? Wenn unterrichten, muss dies möglichst handlungsorientiert in einer authentischen Situation erfolgen.
- Wissen wir wirklich, "wo’s lang geht" oder sind wir nicht vielmehr alle Auto-Didaktiker, auch wenn es um Web(2.0)-Kenntnisse geht?
- Ist ein Blog-Eintrag nicht eine Art "Schrotflinte" zur Erreichung des Ziele Informationskompetenz, also zu wenig zielgerichtet? Ist der Aufwand für Tutorials z.B. wie LOTSE nicht viel zu hoch im Verhältnis zu Nutzungszahlen?
- Räume schaffen für Kompetenz-Entwicklung (Oliver Schönbeck).
- Ist die Hetreogenität dessen, was möglich ist, überhaupt sinnvoll zu behandeln im Rahmen der IK-Aktivitäten?
- Diskussion am Begriff der Entmündigung: Ist dies das Ergebnis von Google und neuen Oberflächen auch von Bibliothekskatalogen? Oder fördern gerade die kaum benutzbaren Oberflächen der ‚alten‘ Kataloge diese Entmündiging? Kann Entmündigung auch etwas Gutes sein in bestimmten Zusammenhängen?
- Ich selbst sehe eine kritische Haltung zur uns umgebenden Informationswelt, verbunden mit einem Hintergrund-Wissen über die Enstehung, Arbeitsweise und gesellschaftlich-soziale Herausforderungen moderner Informations- und Kommunikationsmittel, als die wesentliche Essenz aller Bemühungen um Informationskompetenz, Medienkompetenz, digialer Kompetenz – egal wie man dies alles nennen will.
- Wie benennen wir das, was IK-Aktivitäten von Bibliotheken ausmachen, auf unseren Webseiten (Tobias Buck)? Meine eigenen Ideen, den Begriff Informationskompetenz durch Informationskultur zu ersetzen, eignen sich sicher nicht als Label für Nutzende!
Zur letzten Frage von Tobias Buck schlage ich vor:
1. Für die Selbstdarstellung der Bibliothek: unter Projekte->Angebote zur Informationskompetenz
2. Für die Zielgruppe: problem-und aufgabenorientiert, z.B. „Tipps und Tricks… für die Hausarbeit / das wissenschaftliche Arbeiten / die Recherche“. Vielleicht nicht unbedingt en bloc, sondern kontext-sensitiv im Katalog, bei der Datenbankübersicht etc. mit jeweils Querverlinkung zu den anderen Tipps und Tricks.
Handlungsorientiert in einer authentischen Situation ist vermutlich längst nicht mehr umstritten, oder? – Allerdings stößt man in der Praxis dabei an so manche Grenze:
– zur Verfügung stehende Zeit: PPT-Vorträge (auch mit Screen Casts angereichert) sind schneller „verabreicht“, als „begleitetes“ Recherchieren
– Gruppengrößen: Z.B. Kurse mit knapp 100 TN, deren praktische Übungen zu bewerten sind, da die Zahl der Klausuren begrenzt ist.
– Benotung überhaupt: Setzt voraus, dass abfragbare/messbare Ergebnisse produziert werden Ich glaube, dass tötet die „Entdeckerlust“, die doch auch gefördert oder gar geweckt werden sollte. Andererseits sagten Studierende mir, sie würden eher nicht für Veranstaltungen lernen, für die es wenige Credit-Points gibt. Eine unter den gegebenen Umständen durchaus verständliche Haltung.
– Eigene Fachkenntnisse: Wenn ich authentische Lernsituationen schaffe, bedeutet dies, dass ich selbst mich in entsprechender Tiefe in die aktuelle Fragestellung der Fachdisziplin einarbeiten können muss. Auch hier haben wir u.a. wieder ein Zeitproblem.
usw. usf.
Tatsächlich glaube auch ich, dass die „Googlesierung“ der Welt zu einer Art Entmündigung führt. Bei der Recherche wird die Verantwortung an die Technik abgegeben (Suchmaschine, Katalog, was auch immer). Die Nutzer wissen nicht mehr, was passiert. Da häufig keine gedankliche „Überschlagsrechnung“ mehr erfolgt, gibt es eigentlich nur die Erwartung, überhaupt etwas zu finden – das klappt ja auch fast immer. Ob die so gefundenen Treffer mengenmäßig oder von der Qualität her sinnvoll oder vollständig sind, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Nachdem Kataloge und Datenbanken dem Trend zur radikalen Vereinfachung folgen, werden auch die dort gefundenen Ergebnisse immer beliebiger. Wäre es nicht konsequenter, 4 bis 5 Eingabereglen zu lernen und anzuwenden und dann zu wissen, dass die Ergebnisse bestmöglich sind? Aber wie vermitteln wir das den Lernenden, wenn sie auch anders vermeintlich ausreichende Ergebnisse erzielen?