Vor dem Hintergrund des Blog-Beitrages „verschwundene Arbeiten“ im netbib-Blog schaut man natürlich auch auf das, was man selbst als Fachreferent "noch" tut.
So trifft das Schlagwort "user-generated aquisition" genau dann voll zu, wenn man aufgrund der wöchentlich von Nutzenden eingehenden Anschaffungswünsche absehen kann, dass das zur Verfügung stehende Geld gerade so ausreichen wird. Dies bedeutet konkret, dass man keine klassische Erwerbungsarbeit mehr macht. Auch das Nachdenken über Approval Plans macht hier nicht mehr wirklich Sinn! 😎
Was die inhaltliche Erschliessung angeht, habe ich ja immer noch die Illusion, dass die Vergabe von Schlagwörtern und Notationen dazu beiträgt, das Retrieval, besonders den Recall durch die im Normdatensatz mit verknüpften Synonyme zu verbessern oder überhaupt erst sinnvolle Drill-Down-Menüs in sogenannten Next-Generation-Katalogen wie TUBfind zu ermöglichen. Auch können ja vielleicht Ideen wie die von Lambert Heller zur Erschliessung von Literatur via Wikipedia die sachliche Erschliessung ins Semantic Web hinüberretten!
Aber auch die dritte Säule der eigenen Fachreferatsarbeit, die Förderung von Informationskompetenz, ist an einer technischen Universität nicht so nachgefragt, wie man es sich trotz eigener Aktivitäten und Erfolgserlebnisse eigentlich wünschen würde.
Aber auch Blog-Beiträge fördern die Informationskompetenz potentieller Leser. Hier ein paar Beispiele hinsichtlich:
- der Recherche nach Patenten – Zur Geschichte der ersten Autos – neulich im Fernsehen
- der Chemie-Information – Was wird aus dem FIZ Chemie?
- der Nutzung von Nachschlagewerken – Mehr als Wikipedia: Enzyklopädien im Bestand der TUHH-Bibliothek
- Tipps zur gezielten Fachinformation – Informieren über Nanotechnologie
Auch sonst bleiben die Themen, mit denen man im Fachreferat konfrontiert wird oder sich selbst konfrontiert, interessant:
- Wie kann ein zeitgemäßer Subject Guide im Webauftritt der Bibliothek aussehen?
- Bibliometrische Analysen für das Forschungsrating, Beratung zur Literaturverwaltung und zum Publizieren werden immer wieder mal nachgefragt .
- Aber auch ganz klassisch: Wie sieht zeitgemäßes und kundenorientiertes Bestandsmanagement im Lernort Bibliothek aus? Sprich, wieviele und welche gedruckten Bücher machen in Bibliotheksräumen und Lesesälen noch Sinn, wenn – wie von der Bibliothek der schwedischen Chalmers University of Technology schon heute – in Zukunft fast nur noch elektronische Medien angeschafft werden?
- Ausbaufähig bleibt sicherlich die Beteiligung des Fachreferats an Universitätsbibliotheken aber auch der gesamten Bibliothek in den Bereichen Lernen und Lehren sowie Wissensmanagement (klassischer Beginn wäre hier die Hochschulbibliographie).
Das Hauptproblem der verschwundenen Tätigkeiten liegt für mich aber darin, dass diese gleichzeitig die Grundlage für Stellenbewertungen und Eingruppierungen, vgl. die Situation bei der sogenannten Entgeltordnung (Kampagne vom BIB), darstellen, was Verhandlungen zum Erhalt von Stellen nicht einfacher machen dürfte. Damit kann verhindert werden, dass neue Ideen über neue Köpfe kaum noch Eingang ins Bibliotheks- und Informationswesen bzw. konkret in die jeweilige Institution finden! Und dies ist nicht nur für Bibliotheken und Informationseinrichtungen, sondern auch für deren Kunden fatal!
Der Schlusssatz meines Beitrages mit dem Titel "Helfer im Informationsdschungel" aus dem Jahre 2006 bleibt aber weiterhin gültig:
"Für mich ist kaum ein anderer Beruf denkbar, bei dem man aufgrund der heterogenen fachlichen, technischen und menschlichen Anforderungen so am Puls der Zeit bleibt wie als Informationsspezialist an einer Universitätsbibliothek."
Dies auch aufgrund und trotz der Ungleichzeitigkeiten, die mich an einen meiner Lieblingsphilosophen Ernst Bloch erinnern! 😎