In der Zeitschrift "The New Yorker" hat der Autor Adam Gopnik unter dem Titel "The Information : How the Internet gets inside us" eine interessante Beschreibung gegeben, wie heutzutage das Internet in seiner Wirkung auf Alltag, Mensch und Welt beurteilt wird. Er unterscheidet dabei drei Kategorien von Stellungnahmen, die von Never-Betters, Better-Nevers oder Ever-Wasers.
Ich selbst finde mich eigentlich – immer wieder mal wechselnd – in allen drei Kategorien wieder. Als Never-Better denke ich an die vielen Möglichkeiten, die uns die digitale Technik ermöglicht und ohne die ich z.B. nie Teil der Information-History-Community geworden wäre. Als Better-Never sehe ich doch vielfältige Veränderungen im eigenen Informationsverhalten, die zum Beispiel das Lesen, Wahrnehmen und Erkennen betreffen, und es ist fraglich, ob sich dies alles in eine positive Richtung verändern wird. Spannend dazu ist das Buch von Maryanne Wolf "Das lesende Gehirn : wie der Mensch zum Lesen kam – und was es in unseren Köpfen bewirkt" (Heidelberg : Spektrum, Akad. Verl., 2010) zu lesen. Als Better-Never werden in dem Artikel Nicholas Carr und sein Buch "Wer bin ich, wenn ich online bin … und was macht mein Gehirn solange? : Wie das Internet unser Denken verändert" (München : Blessing, 2010) eingeordnet.
Als Ever-Waser ist einem als historisch Angehauchter eigentlich immer bewusst, dass viele heutige Probleme auch früher nicht anders empfunden wurden. Klassisch ist das Beispiel eines anderen Medienbruches, das Aufkommen des Buchdrucks, der zu ähnlichen Reaktionen von Zeitgenossen führte, wie sie auch heute zu beobachten sind, so z.B. das Klagen über die Informationsflut bzw. die Empfindung des "Information Overloads". Als Beispiel wird im Artikel das Buch von Ann Blair genannt: "Too Much to Know: managing scholarly information before the modern age" (New Haven: Yale University Press, 2010). Auch die Aktivitäten von Paul Otlet lassen sich als das Konziperen eines Internets auf Papier ansehen und unterstützen damit die Sicht eines Ever-Waser.
Einen Weg mit dem Information Overload fertig zu werden, ist übrigens auch das Schreiben, worauf Martin Warnke in seinem gerade erschienenen Buch "Theorien des Internet zur Einführung" (Hamburg: Junius Verlag, 2011), Niklas Luhmann zitierend, hinweist (S. 157). Das eigene Schreiben, wie heutzutage Tweets und Blog-Einträge schreiben, unterstützte schon immer das Lesen (lernen). Schon in klassischen Ratgebern zum wissenschaftlichen Arbeiten ist dies zu finden.
Zur Wahrnehmung des Internets gibt es also viele "Wahrheiten"! Apropos Wahrheit: "Wahrheit ist nur ein Modell" schreibt Neil Gershenfeld auf die Frage "What scientific concept would improve everybody’s cognitive toolkit?" (Hinweis gefunden in der Wochenzeitung Die Zeit Nr. 4 vom 20.1.2011 auf S. 31 in der wöchentlichen Rubrik Halbwissen, leider nicht online!)). Der kurze Zeit-Beitrag weist auch noch auf die Antwort von Carlo Rovelli auf die gleiche Frage auf der Website von Edge hin: "Die Nutzlosigkeit von Gewissheit". Dies gilt sicher auch für die Wahrheit, äh Wahrnehmung, des Internets!