In welchem Rahmen und mit welchen Inhalten erreicht man Studierende beim Thema Informationskompetenz am besten? Dieser Dauerbrenner bei Diskussionen um Informationskompetenz ist kürzlich von Anne Christensen in ihrem Blog in einem anregenden Beitrag aufgegriffen worden.
Der Hinweis von Anne Christensen, dass weder Bibliotheken, noch Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten selbsterklärend sind, und ihr Vorschlag, schon ziemlich früh, das Thema Peer Review zu behandeln, treffen die inhaltliche Haupt-Problematik von Informationskompetenz aus meiner Sicht exakt.
Persönlich glaube ich, dass man eigentlich noch tiefer gehen müsste. Die wichtige Frage, die ja auch mit dem Peer Review zusammenhängt, lautet: Wie entsteht wissenschaftliches Wissen? Was unterscheidet dieses von anderem Wissen? Und schon ist man mittendrin in der Frage: Was ist "wissenschaftliche" Wahrheit? Was ist Wahrheit überhaupt? Und damit ist man auch schon tief verstrickt in spannenden philosophischen, gar weltanschaulichen Diskussionen! (Vor einiger Zeit hatte ich im Rahmen eines Essays auf ähnliche Aspekte in einem kurzen Abschnitt mit dem Titel "Von der Informationskompetenz zur Reflexion über wissenschaftliches Arbeiten" hingewiesen.)
Optimal wäre also die Integration eines Moduls Informationskompetenz in eine Lehrveranstaltung zum (möglichst fachspezifischen) wissenschaftlichen Arbeiten. Gerade hatte ich eine Gruppe Studierender des Masters-Studienganges Resource Efficiency in Architecture and Planning (REAP) der HafenCity-Universität (HCU) zu Gast. Deren Lehrveranstaltung mit dem Titel "Research Methods and Statistics" ist genau der richtige Ort für das, was mir vorschwebt und das durch das Leuphana-Semester in Lüneburg eigentlich auch zu erreichen wäre. Themen der HCU-Lehrveranstaltung sind: Basic concepts in epistemology and philosophy of science, Different understandings of and perspectives on theoretical and empirical research (qualitative and quantitative research), The role of models and computers, Fundamentals of statistical reasoning, Principles of scientific work. Meine eigene Mitwirkung in der Lehrveranstaltung beschränkte sich dann allerdings doch eher auf die klassisch, bibliothekarisch verstandene Informationskompetenz, denn wer von uns hat die Zeit und die Gelegenheit, solch ein Projekt und eine solche Lehrveranstaltung wirklich durchzuführen bzw. zu begleiten. Übrigens, auch die [Q] Studies, das Studium fundamentale der HCU, wären ein potentieller Ort für die Integration von IK-Aktivitäten.
Auch an der TU Hamburg-Harburg (TUHH) habe ich vor ein paar Wochen Veränderungen beobachten können, die eventuell verstärkt Anknüpfungspunkte zur Förderung von Informationskompetenz bieten könnten. Ich war eingeladen im Rahmen einer Übung zur Vorlesung "Bioverfahrenstechnik – Vertiefung" etwas zur Fachinformation in der Verfahrenstechnik zu sagen. Ich dachte anfangs, dass wird wieder so eine aufgesetzte Veranstaltung, wo man etwas zum Thema Informationskompetenz erzählt, dies aber von den Studierenden kaum wahrgenommen wird, weil für sie anstehende Klausuren mit Recht viel wichtiger sind.
Doch ich wurde eines anderen belehrt! Zur Einführung wurden die Teilnehmenden von den lehrenden wissenschaftlichen MitarbeiterInnen auf Aspekte des problembasierten Lernens (PBL) hingewiesen, das im Rahmen dieser Lehrveransatltung ausprobiert werden sollte und das seit einiger Zeit an der TUHH etwas populärer wird.
Der "Kreislauf" des PBL, der den Studierenden vorgestellt wurde, ist dabei der Folgende:
- Am Anfang steht ein Problem, vorbereitet in der Regel vom Lehrenden.
- In einer Kleingruppendiskussion wird bekanntes Wissen zum Problem gesammelt und danach gefragt, was zur Problemlösung noch benötigt wird.
- Dann erfolgt in Eigenstudien die Suche nach benötigten Informationen via Internet und Bibliotheks-Ressourcen.
- Die gesammelten Informationen werden dann ausgetauscht, und es wird geprüft, ob diese schon zur Problemlösung reichen. Ist dies nicht der Fall, beginnt der Kreislauf von vorne.
Und der dritte Punkt ist eben aus der Natur des Prozesses heraus der richtige Anknüpfungspunkt für Informationskompetenz-Aktivitäten.
Für die TUHH ist dies jedenfalls was Neues, abseits von den normalen Vorlesungen. Vorbild für die TUHH sind PBL-Konzepte der dänischen Universität Aalborg sowie der niederländischen Universität Maastricht.
Es gibt vergleichbare Ansätze für handlungsorientiertes, selbstgesteuertes Lernen unter anderen Begriffen wie z.B. WebQuests. Sheila Webber hat gerade in ihrem Blog unter dem Stichwort Inquiry-Based Learning auf ähnliche, aber viel strategischer gedachte britische Aktivitäten hingewiesen. Schon vor längerer Zeit hatte ich eine These zitiert, dass die Anknüpfungspunkte von Informationskompetenz dann größer werden, wenn komplexere und offene Problemstellungen Teil des Lernens im Alltag an den Schulen und Hochschulen werden. Mein Tutorial im Rahmen der oben erwähnten Vorlesung wurde jedenfalls aufmerksam verfolgt. Wohl besonders auch deswegen, weil durch das Absolvieren der (übrigens freiwilligen) PBL-Anteile der Vorlesung die Studierenden Punkte für die abschliessende Klausur erwerben konnten. 😎