Die interessante Diskussion zwischen Anne Christensen, Dörte Böhner und anderen (Jakob Voss, Till Kinstler), was als Bibliotheksaktivitäten wichtiger sei, die Förderung von Informationskompetenz oder der Aufbau bessere Recherche-Instrumente, ist so alt wie das Thema Informationskompetenz, aber so alt wie sie ist, so wichtig ist diese auch. Man sollte aus meiner Sicht beides nicht voneinander trennen oder gegeneinander ausspielen!
Die Gegenüberstellung von Informationskompetenz und Recherche-Tools betont allerdings einseitig die Recherche-Komponente von Informationskompetenz. Informationskompetenz ist aber mehr, es geht um den gesamten Umgang mit Information, der Teil jeden Lernprozesses ist: ein reales Problem wird mit Hilfe oder Unterstützung von Medien (diese können auch Menschen sein) bearbeitet, und das Produkt des Problemlöseprozesses wird wiederum als Information in medialer Form weitergegeben.
Was ist der Kern von Informationskompetenz? Diese Frage beschäftigt mich schon lange. Im letzten Blog-Beitrag hatte ich Julia Bergmanns Frage, was sind grundsätzliche Kernvoraussetzungen, um als Individuum informationskompetent zu werden, und ihre Antworten erwähnt. Was aber ist inhaltlich wichtig, wenn man die Welt der (wissenschaftlichen) Information verstehen will? Was sagt man jemandem, dem man in 2-3 Minuten die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte von Informationskompetenz nennen will? Vielleicht auch Folgendes …
- Man sollte nie nur eine Quelle vertrauen! Eigentlich ist dies aber Teil der vorausgesetzten kritischen Haltung.
- Man sollte wissen, wie wissenschaftliches Wissen entsteht! Vor einigen Jahren habe ich dazu schon mal was aufgeschrieben: "Informationskompetenz umfasst die Reflexion über die Entstehung von Information und Wissen sowie die erkenntnistheoretische Problematik der Bewertung und Gültigkeit von Wissen und damit über die soziale Konstruktion von Wissen und Wissenschaft." Genau dann kommen nämlich Fragen wie Peer Review, Plagiate und die Problematik von Zitatanalysen in den Blick, die wir in Bibliotheken Arbeitende beim Thema Informationskompetenz viel zu wenig berücksichtigen!
- Sei beim Recherchieren und Informieren jederzeit auf Veränderungen gefasst!
- Die Frage der Informationsbewältigung und des Umgangs mit der Informationsflut.
- … ?!
BTW: Der Status-Bericht von Anne inkl. konstruktiver Vorschläge zum Thema "Informationskompetenz today" trifft die Situation!
Ein Wort noch zur Terminologie: Es wird oft immer noch von Vermittlung von Informationskompetenz gesprochen, als ob man Kompetenzen vermitteln kann (siehe auch ein Artikel von Karsten Schuldt, auf den in diesem Blog schon mal hingewiesen wurde!). Man kann nur den individuellen Aufbau von Kompetenzen fördern. Natürlich umfasst Informationskompetenz auch Wissenselemente und Fertigkeiten, welche vermittelbar sind, aber eigentlich geht es um eine (auch selbst-)kritische Haltung zu Informationsprozessen. Ich glaube ja immer noch, dass Begriffe wie Informationskultur oder Informationsbildung sinnvoller sind als Informationskompetenz (dies zu Annes letztem Punkt ihrer Vorschläge!).