Zur wissenschaftlichen Kommunikation im 19. Jahrhundert

Alex Csiszar ist Wissenschaftshistoriker an der Harvard University und hat vor einiger Zeit einen Aufsatz mit dem Titel "Seriality and the Search for Order: Scientific Print and its Problems during the Late Nineteenth Century" veröffentlicht (History of Science 48 (2010) 399-434). Dieser Artikel ist auch als Open-Access-Version zugreifbar.

Dieser Aufsatz ist dieses Jahr auch in deutscher Sprache erschienen:
Serialität und die Suche nach Ordnung : Der wissenschaftliche Druck und seine Probleme während des späten 19. Jahrhunderts. zfm : Zeitschrift für Medienwissenschaft 07 (2/2012)

"Der Aufsatz skizziert Elemente einer Geschichte der wissenschaftlichen Literaturrecherche in Frankreich und Großbritannien im späten 19. Jahrhundert. […] Erst zu dem Zeitpunkt, an dem wissenschaftliches Wissen zunehmend zu einer Landschaft wissenschaftlicher Zeitschriften wurde und eine teilweise Sichtbarkeit bekam, nahmen die Forderungen nach einer umfassenden Sicht auf diese Landschaft an Dringlichkeit zu."

Der Artikel beschreibt Wege und Probleme der Literaturrecherche beim Aufkommen der immer zahlreicher werdenden Fachzeitschriften – im Artikel als "The machinery of scientific periodicals" bezeichnet – ebenso wie Versuche der Lösung durch Bibliographien wie z.B. den Catalog of Scientific Papers der Royal Society bzw. durch "Hommes a fiches" am Ende des 19. Jahrhunderts, von denen der im letzten Blog-Beitrag genannte Paul Otlet nur der bekannteste ist.

Ein Blick auf die Geschichte bietet oft auch die Möglichkeit, die Gegenwart in einem anderen Licht zu sehen. In Csiszars Aufsatz findet man solche – gerade auch aus heutiger Sicht interessante – Aussagen und Zitate wie (Angegebene Seitenzahlen beziehen sich auf die Open-Accesse-Version des Artikels):

"By 1900, the mathematician and physicist Henri Poincaré was deploying a vision of science in which nature was no longer a single bound book at all but instead was figured as a vast expanse of print matter, a body the scientist did not so much read through, as search, select from, and catalogue." [S. 4]

"[…] it is often forgotten that the rediscovery in the library may be a more difficult and uncertain process than the first discovery in the laboratory."
Lord Rayleigh, Presidential Address to the British Association (1884) [S. 6]

"Much of this was scarcely new; alarm over the ‚infinite multiplicity of publication’34 had been a conventional lament since at least the seventeenth century.35 Even the images that men of science were using to describe their frustration – ‚indigestion‘, ‚flood‘, ‚chaos‘ – often had early modern precedents.36" [S. 6]

"But few bent on professional advancement – an increasingly relevant concern by the late nineteenth century, especially once where and how much one had published became just as important as what one had discovered – would wish to forego the prestige that might come with a paper appearing in the Transactions if the opportunity presented itself. The desire to reach interested readers thus seemed at times to come in direct conflict with establishing professional credentials." [S. 11-12]

Die interessant gestaltete Homepage von Alex Csiszar lässt weitere spannende Arbeiten dieses Autors in den nächsten Jahren erwarten.